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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Ahornwurzelfurnier, ihm gegenüber eine opulente Empire-Kommode, zwischen den beiden Fenstern mit bauschigen Vorhängen aus altrosa Crêpe-Seide eine schlichte Nußbaum-Vitrine, angefüllt mit den Nippes eines achtzigjährigen Lebens. An der Wand zum Badezimmer ein Art-Déco-Schminktisch in schwarzem, rotem und goldenem Lack.
    Der ganze Raum roch nach Puder und schweren Parfums und war schon halb versunken in der frühen Dämmerung des schummrigen Tages.
    Simone zog die Vorhänge zu, machte Licht und nahm sich als erstes den Biedermeiersekretär vor.
    Zum Konzept des privaten Sicherheitsdienstes gehörten Zusatzpatrouillen, deren Häufigkeit und Zeitpunkt von einem Zufallsgenerator in der Zentrale festgelegt wurden. An diesem Tag traf es die Patrouille auf dem Weg in den Feierabend. »Zusatzpatrouille ›Rhododendron‹«, meldete der Funk, als sie in die Tiefgarage der Zentrale einbogen.
    »Scheißzufallsgenerator«, fluchte Armin Frei, der den Wagen fuhr.
    »Wir könnten schon ausgestiegen sein«, schlug Karl Welti vor. Er war mit der hübschen Gehilfin seines Zahnarztes verabredet, in dessen Patientenkartei er immer noch als Student figurierte.
    »Wir sind aber noch nicht ausgestiegen«, antwortete Armin Frei, der keine Verabredung hatte außer der am Stammtisch, wo er später fragen konnte: »Wißt ihr, was mir dieser Scheißzufallsgenerator heute wieder geboten hat?«
    Er wendete das Fahrzeug und fuhr zurück zur »Villa Rhododendron«.
    »Kannst du wenigstens kurz bei einer Telefonkabine anhalten, du Spießer?«
    »Es ist nicht jeder ein Spießer, nur weil er seinen Arbeitgeber nicht bescheißt.«
    »Hier kommt eine Telefonkabine, Spießer.«
    Als sie wieder bei der Villa ankamen, war es dunkel geworden. Sie schlossen das Tor auf und meldeten an der Gegensprechanlage: »Sicherheitsdienst, Zusatzpatrouille.« Dann folgten sie mißmutig den Kegeln ihrer Stablampen durch den triefenden Park.
    Als sie zum »Stöckli« kamen, sahen sie einen Streifen Licht, der aus dem Schlafzimmer drang und die nassen Blätter eines Rhododendrons aufglitzern ließ.
    »Das ist doch als vorübergehend unbewohnt gemeldet«, sagte Armin Frei.
    »Auch das noch«, stöhnte Karl Welti.
    Simone war entmutigt. Auch im Schlafzimmer nichts. Sie vergewisserte sich, daß sie nichts verändert hatte, und löschte das Licht. Sie stand im Dunkeln und hatte noch das Bild des Sekretärs vor Augen. Etwas stimmte nicht damit. Sie machte erneut Licht und merkte, was falsch war: Die Schreibklappe war hochgeklappt gewesen, als sie ins Zimmer gekommen war. Jetzt war sie unten. Sie klappte sie hoch und drehte den Schlüssel. Aber der Riegel ging nicht zu. Sie probierte es ein paarmal. Als es immer noch nicht ging, versuchte sie es in die falsche Richtung. Der Schlüssel ließ sich drehen, und die Klappe war geschlossen.
    Wieder löschte sie das Licht, und wieder hatte sie das Bild des Sekretärs vor sich, an dem etwas nicht stimmte. Als sie noch einmal Licht machte, sah sie, daß die Seitenwand der oberen Hälfte des Möbels abstand. Sie ging näher und stellte fest, daß sich die Wand wie eine Tür öffnen ließ. Sie mußte durch die falsche Drehung am Schloß aufgesprungen sein.
    Die Tür verbarg einen Hohlraum zwischen der falschen und der echten Rückwand des Möbels. Neun Fotoalben in verschiedenen Einbänden waren darin versteckt.
    Simone nahm sie heraus, ließ die Geheimtür in ihr Schloß schnappen und löschte das Licht.
    Als sie die Tür in den Korridor öffnete, blendeten sie zwei starke Stablampen.
    »Sicherheitsdienst, keine Bewegung«, befahl eine aufgeregte Stimme.
    Die beiden Sicherheitsmänner kannten Simone und entschuldigten sich.
    Simone wehrte die Entschuldigung ab. »Ein gutes Gefühl, wenn man weiß, daß Sie so wachsam sind. Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
    Armin Frei war nicht abgeneigt. Aber Karl Welti sagte knapp: »Danke, nicht im Dienst.« Wenn sie sich beeilten, reichte es noch für die Zahnarztgehilfin.
    Armin Frei rächte sich, indem er begann, umständlich den Rapportblock aus der Brusttasche zu klauben. »Dann brauchen wir nur noch Ihre Unterschrift.«
    »Komm, das ist doch nicht nötig bei der Besitzerin.«
    »Das Haus war als vorübergehend unbewohnt gemeldet.« Armin Frei begann, pedantisch die Daten einzutragen: Ort: Schlafzimmer »Stöckli«, Zeit: 18 Uhr 35.
    »Es wäre mir auch lieber, wenn Sie keinen Rapport schreiben würden. Es handelt sich um eine Überraschung zum achtzigsten Geburtstag von Frau Senn.« Sie

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