Small World (German Edition)
mit Thomas und zwei jungen Männern in Kricketpullovern und mit Tennisschlägern erklärte er so: »Das ist Thomas mit unseren ›room mates‹ im ›St. Pierre‹, Jean Luc de Rivière und Peter Court. Ich habe ›retenu‹, weil sie mich im Dorf erwischt haben.«
»Was ist ›retenu‹?« fragte Simone.
»Arrest.«
Schwester Irma, die ins Zimmer zurückgekommen war, schimpfte: »Sie haben jetzt dann auch ›retenu‹, wenn Sie nicht essen.«
Gehorsam stand Koni auf, setzte sich an den Tisch und fing an zu essen.
Koni war im Dorf gewesen und hatte in der Auberge du Lac vier Flaschen Wein gekauft. Es hatte zum Abendessen Rindsbraten gegeben, und de Rivière hatte gesagt: »Ein Gläschen Roten dazu wäre nicht zu verachten«, und damit einen übertriebenen Lacherfolg verbucht.
Nach dem Essen ging Konrad zur Gärtnerei, lehnte eine Baumleiter an die Mauer, kletterte hoch und versuchte vergeblich, die Leiter heraufzuziehen und auf der anderen Seite wieder hinunterzulassen. Einen Moment lang wollte er aufgeben, aber die Verlockung, mit ein paar Flaschen Rotwein im Zimmer aufzutauchen und gefeiert zu werden, war stärker. Er sprang hinunter und beschloß, sich die Frage, wie er wieder hineinkam, erst später zu stellen.
Die Beschaffung von vier Flaschen Hauswein in der Auberge du Lac verlief reibungslos. Aber der Wiedereinstieg ins »St. Pierre« erwies sich als Problem. Er ging vor der Mauer auf und ab und mußte zusehen, wie in den Schlafzimmern die ersten Lichter ausgingen. Er hatte die Wahl, bei der Zimmerkontrolle zu fehlen oder zu versuchen, den Pförtner zu überreden, ihn einzulassen und keine Meldung zu machen. Schließlich klingelte er beim Pförtner. Der kam nach einer Weile angeschlurft, öffnete das Fensterchen im großen Tor, erkannte Konrad und ließ ihn herein. Kaum war er drinnen, hielt ihm Konrad zwei Flaschen Roten hin. Der Pförtner setzte die Brille auf und las skeptisch die Etikette. Konrad zog die dritte Flasche aus der Manteltasche, und als er sah, wie der Alte den Kopf zu schütteln begann, auch noch die vierte.
Dann gingen sie gemeinsam zum Pförtnerhäuschen, und der Mann informierte den diensthabenden ›surveillant‹.
Vier Wochen ›retenu‹ hatte er bekommen. Zimmerarrest außerhalb der Unterrichtsstunden, Mahlzeiten im Zimmer, als einzige Sportart fünfzehn Runden Laufschritt um den Sportplatz. Und die Schmach, daß er so wenig von Wein verstand und geglaubt hatte, er könne den alten Fournier mit vier Flaschen Hauswein aus dem Du Lac bestechen.
Jetzt saß er in seinem Zimmer und mußte warten, bis Tomi, Jean Luc de Rivière und Peter Court heraufkamen. Sie würden mitten in einem Gespräch sein, das sie im Freizeitraum begonnen hatten, und sich nicht die Mühe geben, ihn darüber aufzuklären, worum es sich drehte. Sie würden Anspielungen machen auf Vorkommnisse, bei denen er nicht dabeigewesen war, und über Witze lachen, die ohne ihn gerissen worden waren.
Als sie hereinkamen, hatten sie ein Mädchen dabei.
»He, wie habt ihr denn die reingeschmuggelt«, sagte er lachend und stand auf.
Sie sagte: »Konrad, darf ich dir Dr. Kundert und Dr. O’Neill vorstellen.«
Koni zwinkerte den beiden zu und gab ihnen die Hand. »Sehr erfreut, Herr Doktor. Sehr erfreut, Herr Doktor.« Dann wartete er schmunzelnd, wie das Spiel weitergehen würde.
»Die beiden Herren würden dich gern untersuchen, wenn du nichts dagegen hast.«
Also eine Art Doktorspiel. »Aber ganz im Gegenteil, Mademoiselle.« Wieder zwinkerte er den andern zu.
Jetzt ging das Mädchen zur Tür und öffnete sie. »Ich bin drüben in der Villa, wenn Sie mich brauchen.«
»Halt, halt, nicht so eilig. Sie machen doch auch mit?«
»Vielleicht ein andermal«, antwortete sie und schloß die Tür.
»Warum laßt ihr sie gehen?« fragte er de Rivière und Court. Aber die waren jetzt schon wieder bei ihren Spielchen. Sie sprachen über Dinge, die für ihn keinen Sinn ergaben, sie bezogen sich auf Ereignisse, die ohne ihn stattgefunden hatten, und redeten von Leuten, von denen er noch nie im Leben gehört hatte.
»Wo ist eigentlich Tomi?« fragte er. Die beiden taten, als wüßten sie nicht, wovon er sprach.
Da ging ihm ein Licht auf. »Ich bin drüben in der Villa«, hatte das Mädchen gesagt. Dreimal darfst du raten, mit wem.
Dr. Peter Kundert war ein achtunddreißigjähriger Neuropsychologe. Er hatte Medizin und Psychologie studiert und sich als MD/PhD auf Neuropsychologie spezialisiert. Im Team von Professor Klein
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