Small World (German Edition)
die sich in den vorklinischen Tests bewährt haben und auch bei den klinischen Tests an gesunden Freiwilligen keine Nebenwirkungen gezeigt haben, an Patienten zu erproben. Dazu braucht es die Einwilligung des Patienten oder, wenn das nicht mehr möglich ist, der Angehörigen. Und das Einverständnis eines Ethik-Komitees.«
»Und wenn es keine Angehörigen gibt?«
»Dann ist der gesetzliche Vormund zuständig.«
»Und das Einverständnis des Ethik-Komitees, das bekommt man?«
»Wenn der Test sinnvoll und das Risiko kalkulierbar ist, erhält man die Erlaubnis für eine einmalige Anwendung.«
»Führen Sie auch solche Tests durch?«
Dr. Steiner schüttelte den Kopf. »Das machen Professoren und Privatdozenten mit Forschungsverträgen von Pharmaunternehmen und Spitalärzte.«
»Kennen Sie solche Leute?«
»Dr. Wirth.«
»Außer Dr. Wirth?«
»In Ihrem Fall ist der Patient in Privatpflege. Das ist ein Problem. Es wäre einfacher, wenn er in einer Klinik wäre. Käme eine solche Lösung in Frage?«
Simone brauchte nicht zu überlegen. »Nein, das kommt nicht in Frage.«
»Dann wird es schwierig.«
»Werden Sie sich trotzdem erkundigen?«
Dr. Steiner zögerte.
»Bitte.«
»Sie hören von mir.«
Als Simone ins Wohnzimmer des Gästehauses kam, saß Konrad Lang am Tisch. Seine Hand lag auf einem großen Plastikball mit farbigen Streifen.
Sie setzte sich zu ihm. Nach einer Weile löste er den Blick vom Ball und sah sie an. »Schau nur«, sagte er und deutete auf den Ball, »wie das so nach hinten geht.«
»Du meinst, wie die Farben sich um den Ball ziehen?«
Er musterte sie wie ein Lehrer eine ganz hoffnungslose Schülerin. Dann schüttelte er den Kopf, lachte und studierte wieder den Ball.
»Ja, jetzt sehe ich es auch«, sagte Simone.
Konrad schaute erstaunt auf. »Wie sind jetzt Sie hereingekommen?«
Gleich nach diesem Besuch bei Konrad beschloß Simone, etwas Mutiges zu tun.
Sie besorgte sich den Schlüssel zum »Stöckli«, der im Küchenvorraum der Villa hing. Sie wartete, bis die Sicherheitsleute ihren Rundgang beendet und das Grundstück verlassen hatten. Dann ging sie los.
Es war ein dämmriger Tag. In den Häusern mußten die Lichter brennen, und der Nebel war so dick, daß er von den Tannen troff. Simones Regenmantel war feucht von dem kurzen Weg hinunter zum »Stöckli«. Sie betrat das Entrée, als wenn das ihr gutes Recht wäre.
Das Haus war warm und gelüftet. Auf der Kommode neben der Garderobe standen frische Blumen, wie jeden Tag. Elvira liebte die Vorstellung, daß sie jederzeit unangemeldet heimkommen könnte und alles so vorfinden würde, als wäre sie nur für ein paar Stunden ausgegangen.
Simone stand einen Moment unschlüssig in der Diele und überlegte sich, wo sie beginnen sollte. Dann wandte sie sich zum Frühstückszimmer.
Auch hier frische Blumen. Und auf dem Tisch am Fenster die unberührten Zeitungen von heute. Das einzige Möbelstück, das in Frage kam, war eine kleine Anrichte aus Chromstahl und Kirsche. Sie öffnete die Schiebetüren. Alles, was sie fand, war ein zwölfteiliges Teeservice von Meißen, etwas Frühstücksgeschirr, ein paar Gläser und einige Flaschen Likör.
Im Frühstückszimmer gab es neben der Tür zur Diele noch eine andere, die ins Ankleidezimmer führte. Simone öffnete sie und erschrak, als sich im gleichen Moment an der gegenüberliegenden Wand eine Tür öffnete und sich die Silhouette einer Frau im Türrahmen abzeichnete. Dann merkte sie, daß die Wand aus einem Spiegel bestand. Auf beiden Seiten des Raumes waren hohe Schiebetüren. Als Simone eine öffnete, ging das Licht im begehbaren Schrank an, der sich dahinter befand.
Vier solcher Schränke mit Kleidern, Wäsche, Blusen, Schuhen, Pelzen und Kostümen durchsuchte sie ohne Erfolg. Dann entdeckte sie eine Türklinke in der Spiegelwand und öffnete eine weitere Tür, die in ein elegantes Bad aus smaragdgrünem Marmor führte.
Simone öffnete ein paar Spiegelschränkchen, einige Schubladen voller Kosmetika, einen kleinen Kühlschrank mit Insulinpatronen und ging dann durch die nächste Tür.
Das Schlafzimmer von Elvira Senn.
Nichts vom kühlen Understatement, nichts von den klaren Linien und durchkomponierten Farben der anderen Räume. Hier herrschte eine hemmungslose Mischung aus Jugendstil, Barock, Biedermeier und Beverly Hills.
Neben einem Bett von erstaunlichen Ausmaßen für eine Frau ihres Alters stand ein Biedermeiersekretär mit aufwendigen Einlegearbeiten aus
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