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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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im Magdalenaspital war er an einem klinischen Test beteiligt, den er persönlich als Zeitverschwendung betrachtete.
    Dr. Ian O’Neill war ein Biochemiker etwa gleichen Alters. Er kam aus Dublin und war als Mitglied eines Forschungsteams in einem Pharmaunternehmen in Basel am gleichen Projekt beteiligt. Er teilte Kunderts Meinung darüber.
    Sie hatten sich bei der Arbeit kennengelernt und angefreundet. Bei einem Glas hatten sie sich ihre Zweifel gestanden. O’Neill erzählte Kundert zu später Stunde von einer anderen Verbindung, POM 55, der er unvergleichlich größere Chancen gab. Nicht nur deshalb, weil er viel maßgeblicher daran beteiligt war.
    Kundert machte am nächsten Tag den Fehler, seinem Chef davon zu erzählen. Dieser faßte das als Kritik an seinem eigenen Projekt auf. Damit war es mit der Möglichkeit, daß O’Neills Projekt am Magdalenaspital eine Chance erhielt, natürlich vorbei.
    Inzwischen waren die vorklinischen Tests von POM 55 abgeschlossen und so befriedigend verlaufen, daß die Zeit für die klinischen gekommen war, welche O’Neill koordinieren sollte. Das würde das Ende der Zusammenarbeit von Kundert und O’Neill bedeuten. Deswegen waren beide sofort interessiert, als sie von Dr. Steiner gehört hatten, es gebe einen Alzheimerpatienten in exklusiver Privatpflege, für den großes Interesse an einem experimentellen Medikament im Rahmen eines klinischen Tests bestehe. Das könnte eine Chance sein, Kundert außerhalb seiner Tätigkeit im Magdalenaspital trotzdem am Projekt zu beteiligen. Wenn auch vielleicht nicht ganz so offiziell.
    Kundert und O’Neill waren beide etwas euphorisch über den Zustand des Patienten. Der Verlust oder eine große Beeinträchtigung des Sprachvermögens wäre ein Zeichen dafür gewesen, daß die Krankheit zu weit fortgeschritten, die Schäden irreversibel waren. Keine Ethik-Kommission hätte ihnen in diesem Fall die Einwilligung zum Test gegeben.
    Sie saßen in Simones Zimmer wie zwei kleine Buben, die gleich ein neues Spielzeug bekommen sollten, wenn sie es nur richtig anstellten.
    Kundert war großgewachsen und leicht gebeugt, wie wenn er sich kleiner machen wollte. Sein Gesicht schien immer zu lächeln, und er trug eine Brille, die er zum Sprechen abnahm und in der Hand hielt. Sein Haar war schwarz und dicht und schon von weißen Strähnen durchsetzt. Es ringelte sich im Nacken zu festen kleinen Löckchen.
    O’Neill war klein und kompakt, sein braunes Haar war stumpf von all dem Lack, den er brauchte, um es daran zu hindern, wie ein Trockengesteck in alle Himmelsrichtungen abzustehen. Er hatte ein Gesicht wie ein Straßenköter, der keiner Rauferei aus dem Wege geht.
    Es war Kundert, der sprach.
    »Herr Lang ist zwar verwirrt und desorientiert, aber überraschend präsent, auch wenn sich nicht klar erschließt, an welchem Ort und in welcher Zeit. Er hat uns de Rivière und Court genannt.«
    »Seine Zimmergenossen im ›St. Pierre‹, in den Vierzigerjahren«, erklärte Simone.
    »Er spricht überraschend flüssig und verfügt über einen erstaunlichen Wortschatz. Sogar Französisch und Englisch hat er gesprochen. Das heißt, das, was wir Aphasie nennen, die Störung des Sprachvermögens, ist noch nicht eingetroffen oder noch nicht sehr weit fortgeschritten.«
    »Das war nicht immer so, es gab Phasen, da sprach er kein Wort. Erst seit ich Fotos aus seiner Jugend gefunden habe, ist er wieder so interessiert und eloquent.«
    »Es ist wichtig, daß Sie solche Fotos weiterhin mit ihm anschauen während einer eventuellen Behandlung.«
    »Glauben Sie, daß eine Chance besteht, ihn zu heilen?« fragte Simone.
    Die beiden sahen sich an. Dr. O’Neill übernahm. Er sprach ein druckreifes Hochdeutsch, aber mit englischem Akzent und dem seltsamen Tonfall der Iren, der jeden Satz in einer Frage enden läßt.
    »Es gibt drei wichtige Charakteristiken im Gehirn eines Alzheimerpatienten: erstens die Plaques, die sich zwischen den Hirnzellen ablagern und die hauptsächlich aus giftigem fibrillärem Amyloid bestehen; zweitens die entzündlichen Nervenzellen in deren Umgebung; drittens die Neurofibrillen, die Zellenskelette, die überphosphorisiert sind und dadurch aufhören zu funktionieren. In welchem Zusammenhang diese drei Faktoren zueinander stehen, wissen wir nicht.«
    Simone mußte O’Neill etwas hilflos angeschaut haben. Er fühlte sich veranlaßt hinzuzufügen: »Drei wichtige krankhafte Veränderungen, und wir wissen nicht, ob die eine die andere bedingt und,

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