Small World (German Edition)
Jungmädchenzimmer, das so gar nicht in dieses Haus paßte, und versuchte ihr klarzumachen, daß es für Alzheimer derzeit keine Heilung gab.
»Es gibt nach dem heutigen Stand nun einmal nur das, was wir bereits tun: Ginkgo, Vitamine, Physiotherapie, Beschäftigungstherapie, Gedächtnistraining. Wir hatten ja auch ganz schöne Resultate. Was wir jetzt sehen, ist ein neues Stadium. Es ist unaufhaltsam, Frau Koch. Noch.«
»Noch? Bestehen denn Aussichten, die Krankheit aufzuhalten?«
»Es gibt Leute, die sagen, schon in absehbarer Zeit.«
»Was für Leute?«
»Alzheimer ist ein gewaltiges Problem, also ist mit dessen Lösung gewaltig viel Geld zu machen. Es gibt wohl kaum ein pharmazeutisches Unternehmen, das nicht daran forscht.«
»Und es gibt greifbare Resultate, sagen Sie?«
»Jeden Monat neue, zum Teil sehr vielversprechende.«
»Warum probieren Sie dann nicht etwas? Was hat Herr Lang zu verlieren?«
»Er nicht viel, aber ich. Die Medikamente sind noch nicht zugelassen.«
»Aber macht man nicht manchmal Tests mit Freiwilligen?«
»In diesem Stadium der Krankheit besitzt man keinen freien Willen mehr.«
»Dann kann man ja nie Versuche mit Alzheimerpatienten machen.«
»Doch. Wenn der Patient in einem frühen Stadium dazu die Einwilligung gibt. Prophylaktisch, sozusagen.«
»Wem gibt er die?«
»Normalerweise dem behandelnden Arzt.«
»Hat er sie Ihnen gegeben?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Es stand nicht zur Diskussion.«
»Das heißt, Sie haben es ihm nicht vorgeschlagen?«
»Es gehört nicht zur Routine.« Dr. Wirth begann sich etwas unbehaglich zu fühlen. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Ich werde in der Klinik erwartet.«
»Kann man solche Tests auch ohne Einwilligung des Patienten machen?«
Dr. Wirth stand auf. »Sehr schwierig.«
»Aber nicht unmöglich?«
»Es gibt Möglichkeiten.«
»Dann bitte ich Sie, diese zu prüfen.«
»Das werde ich gern tun«, versprach Dr. Wirth. »Versuchen Sie es doch einmal mit Fotos aus einem anderen Zeitabschnitt. Manchmal kann man damit etwas bewegen.«
Eine Woche hörte sie nichts von Dr. Wirth, dann sah sie ihn zufällig in einem Dreisternerestaurant. Urs hatte sie dorthin geführt, um den Verdacht zu zerstreuen, den sie seinem Gefühl nach zu hegen schien.
Dr. Wirth saß ein paar Tische weiter mit einer attraktiven Mittfünfzigerin bei einem »Menu Surprise«. Man sah den beiden an, daß es sich nicht um ein Arbeitsessen handelte.
Die Frau kam ihr bekannt vor. Aber erst als die beiden Arm in Arm hinausgingen, erkannte sie sie: Rosemarie Haug, Konrad Langs Freundin, die sich nicht mehr blicken ließ.
Vielleicht tat sie Dr. Wirth damit unrecht, aber sie beschloß in diesem Moment, Konrads Neurologen zu wechseln.
Dieser Entschluß und der wunderbare Bordeaux machten sie so beschwingt, daß sie sich zur Grausamkeit hinreißen ließ, Urs zu gestehen, daß sie schwanger war.
Das setzte der Affäre Theresia Palmers, Grand Hotel des Alpes, Turmsuite, ein plötzliches Ende.
»Kennen Sie einen guten Neurologen?« fragte sie ihren Gynäkologen, Dr. Spörri, mitten in der Untersuchung.
»Sie brauchen keinen Neurologen, das ist normal, daß man etwas deprimiert ist in der ersten Zeit der Schwangerschaft.«
»Ich kümmere mich ein wenig um einen Alzheimerpatienten«, erklärte sie.
»Als Einführung in die Säuglingspflege?« Simones Gynäkologe war manchmal etwas taktlos.
Nach der Untersuchung schrieb er ihr die Adresse eines Neurologen auf und vereinbarte für sie einen Termin.
»Geben Sie sich nicht zu sehr mit dem Alzheimerpatienten ab. Das schlägt aufs Gemüt.«
Der Neurologe hieß Dr. Beat Steiner. Er hörte ihr ruhig zu. Dann sagte er: »Es gibt vielversprechende Lösungsansätze, das stimmt. Einige stehen kurz vor der Zulassung. Dr. Wirth gehört zu der Handvoll Ärzten, die eine davon klinisch testen. Wenn er das bei diesem Patienten nicht tut, muß er seine Gründe haben.«
Simone erwähnte Rosemarie Haug nicht. »Er hat seine Einwilligung damals nicht eingeholt. Und im jetzigen Stadium sei es sehr schwierig, eine Bewilligung zu erhalten.«
Etwas an Dr. Steiners Reaktion ließ sie fragen: »Sind Sie anderer Meinung?«
»Sehen Sie, Frau Koch, es ist immer etwas heikel, einem Kollegen zu widersprechen. Besonders, wenn man einen so großen Informationsrückstand hat wie ich in diesem Fall.« Er überlegte einen Moment. »Aber ich will Ihnen theoretisch antworten: Es besteht die Möglichkeit, chemische Verbindungen,
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