Small World (German Edition)
du getan hast, gibt es keine Entschuldigung.«
»Ich bitte nicht um Entschuldigung.«
»Du gibst jetzt ganz einfach die Fotos zurück.«
»Sie hat Angst vor diesen Fotos. Und langsam wird mir klar, warum.«
»Warum?«
»Irgend etwas stimmt nicht, was die Vergangenheit betrifft. Sie befürchtet, daß es Konrad an den Tag bringen könnte.«
»Was sollte ein kranker Mann mit einem kaputten Hirn schon an den Tag bringen?«
»Frag Elvira! Frag sie, wer auf den Fotos war, die sie herausgerissen hat!«
Tomi lag im Torf im Gärtnerschuppen, warm zugedeckt mit Jutesäcken, und war ganz still. Draußen lag Schnee, und es schneite Fazonetli. Sie suchte ihn.
Wenn sie ihn fand, würde sie ihn stechen. Wie Papa Direktor.
Er hatte es gesehen.
Er war erwacht, weil Papa Direktor so sprach, wie er spricht, wenn er Schnaps getrunken hat. Laut und anders als sonst. Er hörte, wie er die Treppe heraufkam und in das Zimmer polterte, wo er und Mama schliefen.
Tomi stand auf und schaute durch den Türspalt, der immer offen war, bis sie ins Bett gingen. Seine und Konis Mama stützten Papa Direktor ins Zimmer und setzten ihn aufs Bett. Konis Mama gab ihm Schnaps. Sie zogen ihn aus und legten ihn aufs Bett.
Dann stach ihn Konis Mama mit einer Nadel. Sie deckten ihn zu, löschten das Licht und gingen aus dem Zimmer. Koni machte die Tür weiter auf und ging zu Papa Direktor. Der roch nach Schnaps.
Plötzlich ging das Licht an, und Konis Mama kam zurück. Sie nahm ihn an der Hand und brachte ihn ins Bett.
»Warum habt ihr Papa Direktor gestochen?« fragte er.
»Wenn du das noch einmal sagst, steche ich dich auch«, antwortete sie.
Früh am Morgen hörte er viele Stimmen im Nebenzimmer. Er stieg aus dem Bett und sah nach, was los war. Es waren viele Leute da, auch seine und Konis Mama. Papa Direktor lag ganz still im Bett.
Dann sah ihn Konis Mama und brachte ihn weg. »Was hat Papa Direktor?« fragte er.
»Er ist tot«, antwortete sie.
Draußen fiel der Schnee. Immer höher und höher. Bis übers Dach und die Bäume.
Tomi schloß die Augen. Hier würde sie ihn nicht finden.
Doch als er aufwachte, tat ihm der Arm weh, und als er hinschaute, war der Arm angebunden, und eine Nadel steckte darin. Sie hatte ihn also doch gefunden.
Er riß die Nadel heraus. Das Licht ging an. Er schloß die Augen. »Nicht stechen!«
Auch im »Stöckli« brannte noch Licht. Urs war spät zu Elvira gekommen. Sie saßen im Salon. Im Kamin glimmte der Rest eines Feuers.
»Sie sagt, du fürchtest dich vor den Fotos, weil etwas nicht stimme in der Vergangenheit. Du hättest Angst, Koni könnte sich daran erinnern.«
»Was soll nicht stimmen in der Vergangenheit?«
Urs hätte nicht sagen können, ob Elvira beunruhigt war.
»Ich soll dich fragen, wer auf den Fotos war, die herausgerissen worden sind.«
Doch, jetzt war sie beunruhigt. »Ich weiß nicht, was sie meint.«
»Ich schon. Ich habe das Album bei dir gesehen. Das mit den herausgerissenen Fotos.«
»Ich erinnere mich nicht. Wahrscheinlich habe ich mir darauf nicht gefallen.«
Elvira schaute Urs an. Er war anders als sein Vater. Er wich den Problemen nicht aus. Er wollte wissen, was auf ihn zukam, damit er die richtigen Maßnahmen treffen konnte. Urs Koch war der geeignete Mann für die Koch-Werke. Er würde sie so erhalten, wie Elvira sie gemacht hatte: groß, gesund und über alle Zweifel erhaben.
»Wenn es etwas gibt, das ich wissen muß, solltest du es mir sagen.«
Elvira nickte. Sie würde es nicht so weit kommen lassen, daß er es wissen mußte.
Am nächsten Morgen kam Elvira ins Gästehaus. Simone war mit Dr. Kundert bei Konrad. Sie versuchte gerade, ihn zum Frühstück zu überreden. Aber er starrte nur an die Decke.
Schwester Irma kam herein. »Da draußen steht Frau Senn und sagt, sie will Frau Koch sprechen.«
Simone und Kundert wechselten einen Blick. »Führen Sie sie herein«, sagte Simone.
Kurz darauf kam Schwester Irma wieder. »Sie will nicht hereinkommen, Sie sollen herauskommen, sagt sie. Sie ist ziemlich wütend.«
»Wenn sie mich sprechen will, muß sie hereinkommen.«
»Das soll ich ihr sagen? Die bringt mich um.«
»Sie sind stärker als sie.«
Schwester Irma ging hinaus und blieb eine ganze Weile draußen. Als sie zurückkam, war Elvira bei ihr. Sie war bleich und hatte Mühe, sich zu beherrschen. Sie ignorierte Konrad und Dr. Kundert und baute sich vor Simone auf. Sie mußte sich sammeln, bevor sie sprechen konnte.
»Gib mir die Fotos!«
Simone war
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