Smaragdjungfer
er durch Jasmins Wohnung und rief sich jedes Detail ins Gedächtnis, an das er sich erinnern konnte. Wo könnte sie die Daten versteckt haben? Dort, wo niemand sie vermutete. Doch durch unzählige Kriminalfilme, CSI-Serien und Agententhriller kannte inzwischen jeder Depp alle möglichen »unvermuteten« Verstecke. Wenn Jasmin die Daten in Sicherheit wissen wollte, musste sie sich ein außergewöhnliches Versteck ausgesucht haben. Und falls es so eins in der Wohnung gab, konnte er das tatsächlich nur vor Ort feststellen.
Und hoffen, dass die Polizei es nicht vor ihm fand.
»Jasmin ist tot? Oh mein Gott.«
Marco Severin schien ehrlich erschüttert. Für ein paar Sekunden. Danach ging sein Blick von den beiden Beamten, die ihm vor seinem Schreibtisch gegenübersaßen, zum Computerbildschirm. Sein konzentrierter Gesichtsausdruck deutete darauf hin, dass er bereits überlegte, woher er Ersatz bekommen konnte. Obwohl er Wert darauf legte zu betonen, dass seine Escort-Agentur seriös und untadelig war, erkannte Paula mit erfahrenem Blick in ihm den Zuhälter.
Sie hatte lange genug in der Abteilung für Milieukriminalität gearbeitet, die ebenfalls zum FK 1 gehörte, um diese Typen zehn Kilometer gegen den Wind zu riechen. Selbst wenn sie sich wie Severin seriös gaben, sich businessmäßig kleideten und auf die billigen und klischeehaften Accessoires wie Goldketten, dicke Uhren und protzige Ringe verzichteten, haftete ihnen der unverwechselbare Stallgeruch an. Man merkte es an ihrem dominanten Auftreten und den Blicken, mit denen sie sekundenschnell einen potenziellen Kunden abcheckten. Vor allem an der Fleischbeschau, der sie jede Frau unterzogen, gepaart mit Verachtung für das weibliche Geschlecht, das für sie nur eine geschäftliche Transaktion darstellte. Nützlich, solange die Frauen Geld brachten, Abfall, wenn ihre Zeit aufgrund verblühter Schönheit vorüber war.
»War es ein Unfall?«
»Nein. Frau Stojanovic ist einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen. Deshalb wäre es überaus hilfreich, wenn Sie uns etwas über das Publikum sagen könnten, mit dem sie zu tun hatte.«
Severin gab sich entrüstet. »Sie glauben doch nicht etwa, dass ein Klient unseres Hauses etwas damit zu tun haben könnte? Das ist völlig ausgeschlossen. Bei unserer Klientel handelt es sich ausschließlich um Personen der gehobenen Gesellschaft.«
»Wie ein Nachtclubbesitzer? Seit wann gehören solche Leute denn zur gehobenen Gesellschaft?«
»Falls Sie auf Herrn Kastor anspielen, der ist ein überaus kultivierter Herr und seit Langem ein Stammklient unseres Hauses.«
»Wie kommen Sie denn auf den?«
Severin presste kurz die Lippen zusammen, als er merkte, dass ihm ein Lapsus unterlaufen war. »Herr Kastor ist – war einer von Jasmins regelmäßigen Begleitern und der einzige Nachtclubbesitzer, mit dem sie zu tun hatte. Und ja, er gehört zur gehobenen Gesellschaft. Eine andere Klientel nehme ich nicht an. Ich bin mir sicher, dass Sie von keiner Seite jemals etwas Negatives über Severin Escort Service gehört haben.«
Das stimmte insofern, als es zwar schon lange den Verdacht gab, dass sich hinter der Fassade der respektablen Begleitagentur ein illegaler Callgirl-und Callboyring verbarg, aber Beweise gab es bisher nicht. Auch eine Observierung des Ladens vor einiger Zeit hatte nichts ergeben. Die Kunden – männliche wie weibliche –, die eine Begleitung buchten, gingen mit ihr oder ihm brav und solide zu irgendwelchen Veranstaltungen und setzten sich anschließend in aller Öffentlichkeit noch zu einem gemeinsamen Drink oder Essen zusammen. Mehr nicht.
Auch mehrere Versuche, Beamte verdeckt bei Severin einzuschleusen, waren fehlgeschlagen. Ganz gleich, zu welchem Typ der Lockvogel gehörte, sie oder er war trotz blendenden Aussehens nicht über das Bewerbungsgespräch hinausgekommen. Die Buchführung der Agentur wurde penibel von einem Steuerberater erledigt. Es gab keine Auffälligkeiten in den Büchern. Und bis jetzt hatte von den Angestellten keiner zugegeben, etwas anderes zu tun, als wohlhabende Herren und Damen zu begleiten. Sogar Ex-Angestellte hielten den Mund. Wahrscheinlich hatte Severin etwas gegen sie in der Hand, womit er sich ihr Schweigen erkaufte.
»Seit wann kannten sich Frau Stojanovic und Herr Kastor? Diese Information dürfte ja wohl kaum Ihrem Diskretionsgebot unterliegen, nachdem Sie selbst zugegeben haben, dass er seit längerer Zeit schon Ihr Stammkunde ist.«
»Klient. Stamm klient , nicht
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