Smaragdjungfer
Kunde.« Severin zögerte und zuckte mit den Schultern. »Seit Oktober letzten Jahres. Er suchte eine Begleiterin für den JadeWeserPort-CUP am ersten Oktoberwochenende.«
»Wir brauchen die Liste der Klienten, die Frau Stojanovic gebucht haben.«
»Nur mit einem richterlichen Beschluss.« Severin tat mit einem überheblichen Lächeln kund, dass er seine Rechte kannte. »Diskretion ist unser oberstes Gebot, das wir nicht verletzen werden.«
Paula hätte den Kerl am liebsten dorthin getreten, wo es ihm am wehesten tat. Sie hasste solche arroganten Typen, die glaubten, nur weil man ihnen bisher nichts am Zeug hatte flicken können, mit allem durchzukommen. Trotzdem hatte er nun mal recht, dass sie ihn ohne richterlichen Beschluss nicht zwingen konnte, seine Kundendaten preiszugeben.
Dein überhebliches Grinsen verschwindet im Nirwana, wenn ich mit dir fertig bin, Kerlchen.
Sie schenkte ihm ein liebenswürdiges Lächeln. »Herr Severin, ich bin mir sicher, dass es auch in Ihrem Interesse ist, erstens herauszufinden, ob Ihre Angestellte korrekt gearbeitet hat, und zweitens auszuschließen, dass einer Ihrer honorigen Klienten etwas mit ihrem Tod zu tun hat. Deshalb verletzt es doch bestimmt nicht Ihre Prinzipien, wenn Sie mal nachsehen, ob Frau Stojanovic heute Vormittag einen Termin mit einem Klienten hatte.«
Severin zögerte und starrte Paula durchdringend an. Dieser Blick hatte sicherlich schon so manchen eingeschüchtert. Paula beeindruckte er nicht im Geringsten. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper, bis Severin schließlich eine Datei in seinem Computer aufrief.
»Nein, heute Vormittag liegt keine Buchung vor. Sie hatte für achtzehn Uhr einen Termin als Begleiterin zu einer Cocktailparty. Den Namen des Klienten erfahren Sie aber nur mit einem richterlichen Beschluss.«
»Das ist ihr einziger Termin heute?«
»Ja. War’s das jetzt mit Ihren Fragen? Ich muss für Jasmin schnellstmöglich Ersatz finden.«
Paula wunderte sich etwas, dass er das so unumwunden zugab. »Was war Frau Stojanovic für ein Mensch?«
Severin machte eine ungeduldige Geste. »Sie erfüllte unsere Anforderungen für den Job. Sie war gebildet, geistreich, intelligent, höflich, besaß exzellente Manieren und konnte sich den Wünschen der Klienten perfekt anpassen.«
»Einschließlich der erotischen Wünsche.«
Er kniff verärgert die Augen zusammen. »Das gehört nicht zu unserem Angebot. Im Gegenteil. Sollte ich jemals mitbekommen, dass einer meiner Angestellten – weiblich oder männlich – meine Agentur zum Akquirieren solcher Dienstleistungen benutzt, fliegt sie oder er fristlos raus.«
»Aber Sie können nicht kontrollieren, ob Ihre Angestellten mit den Klienten nicht doch solche privaten Nebenabsprachen treffen.«
Severin schürzte die Lippen. »Bedauerlicherweise nicht. Ich achte allerdings schon bei der Auswahl meiner Angestellten darauf, ob sie Neigungen in dieser Richtung zeigen. Falls ja, engagiere ich sie nicht. Meine Agentur ist ein absolut sauberes Unternehmen, in jeder Beziehung.«
Paula glaubte ihm kein Wort. »Wissen Sie etwas über Frau Stojanovics Verwandte oder Freunde? War sie vielleicht mit jemandem von den Kollegen befreundet oder näher bekannt?«
»Nicht, dass ich wüsste. Die Leute begegnen sich hier auch eher selten. Die Termine werden zwar alle hier koordiniert, aber ich gebe sie telefonisch, per Mail oder SMS weiter. Ich kann Ihnen aber Jasmins Bewerbungsbogen geben.« Er rief eine weitere Datei auf, druckte sie aus und reichte Paula das Blatt.
»Danke. Haben Sie noch ein paar Fotos von ihr?«
Er ging zu einem Hängeregisterschrank, holte einen Ordner heraus und gab ihn Paula. »Das ist die Mappe, anhand der ein Klient sich über sie informiert.«
Paula warf einen Blick auf die Beschriftung. »Smaragdjungfer?« Sie blickte Severin fragend an.
»Unsere Damen und Herren tragen teilweise Künstlernamen. Das macht sie für potenzielle Klienten interessanter, exotischer und manchmal auch geheimnisvoller, was wiederum gut ist fürs Geschäft. Außerdem kann sich nicht jeder diese slawischen Namen wie Stojanovic merken. Wir haben eine Cat Lady, eine Kameliendame, eine Königin der Nacht und so manches andere exotische Gewächs. Jasmin nannte sich Smaragdjungfer, weil sie Smaragde als Schmuck bevorzugte und gerne grüne Kleider trug. Smaragdjungfer ist eine Libellenart.« Severins Nachsatz klang, als würde ein Lehrer in der Schule einem Kind etwas erklären.
»Das ist uns bekannt, Herr Severin.«
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