Snack Daddys Abenteuerliche Reise
überraschten Ausdruck eines Kindes auf dem Gesicht und einem gluckernden roten, auf dem Kopf stehenden Ausrufezeichen auf der Stirn gefunden haben, aber nachdem ich mir die Geschichte seinesTodes
neun Mal
habe anhören müssen, geht mir das alte russische Sprichwort nicht mehr aus dem Kopf: »Beim
chuj
, beim
chuj
, wenn er hin ist, ist er hin.«
Dieses Buch also ist mein Liebesbrief an die Generäle, die der US -Einwanderungsbehörde vorstehen. Ein Liebesbrief und ein Bittbrief zugleich:
Meine Herren, lassen Sie mich wieder rein!
Ich bin ein Amerikaner, eingesperrt im Körper eines Russen. Ich bin ein Absolvent des Zufallscollege, einer ehrwürdigen Institution des Mittleren Westens für junge Adlige aus New York, Chicago und San Francisco, wo gar oft die Vorzüge der Demokratie bei einem Tässchen Tee diskutiert wurden. Acht Jahre lang habe ich wie ein beispielhafter Amerikaner in New York gelebt und meinen Beitrag zur Wirtschaft geleistet, indem ich über zwei Millionen Dollar für legal erworbene Güter und Dienstleistungen ausgab, darunter für die teuerste Hundeleine der Welt (für kurze Zeit besaß ich zwei Pudel). Ich bin mit meiner kleinen Rouenna Sales ausgegangen – nein, ausgegangen ist das falsche Wort: Ich habe sie aus dem Albtraum ihrer Jugend in der Arbeiterklasse der Bronx
erhoben
und sie am Hunter College untergebracht, wo sie sich heute zur Chefsekretärin ausbilden lässt.
Gewiss verfügen alle Mitarbeiter der US -Einwanderungsbehörde über tiefe Kenntnisse der russischen Literatur. Wenn Sie auf diesen Seiten von meinem Leben und meinen Kämpfen lesen, werden Sie gewisse Ähnlichkeiten mit Oblomow erkennen, dem famos umfangreichen Herrn, der sich in dem gleichnamigen Roman des 19. Jahrhunderts weigert, von seinem Lager aufzustehen. Ich werde nicht versuchen, Sie von dieser Analogie abzubringen (schon weil ich nicht genug Energie dafür habe), aber vielleicht darf ich Ihnen eine andere Möglichkeit vorschlagen: Fürst Myschkin aus Dostojewskijs
Idiot
. Wie der Fürst bin ich eine Art tumber Tor. Reine Unschuld, von Ränkeschmieden umgeben. Ein junger Hund in den Klauen eines Wolfsrudels (nur das sanfte blaue Leuchten meiner Augen hält sie davon ab, mich in Stücke zu reißen). Wie Fürst Myschkin habe ich meine Schwächen. Auf den folgenden 351 Seiten werden Sie gelegentlich erleben, wie ich meinem Diener eins auf die Ohren gebe oder einen Laphroaig über den Durst trinke. Aber Sie werden auch meinem Versuch beiwohnen,ein ganzes Volk vor dem Genozid zu retten; Sie werden dabei sein, wenn ich den unglücklichen Kindern St. Petersburgs Gutes tue; und Sie werden zusehen, wie ich gefallene Frauen besteige mit der kindlichen Leidenschaft eines reinen Herzens.
Wie bin ich ein solch tumber Tor geworden? Die Antwort liegt in meiner ersten Erfahrung in Amerika begründet.
Damals, im Jahr 1990, beschloss mein Vater, dass sein einziges Kind auf dem Zufallscollege zu einem normalen wohlhabenden Amerikaner erzogen werden sollte, tief im Inneren des Landes, sicher vor den lustigen Zerstreuungen der westlichen und östlichen Gestade. Papas Beschäftigung mit dem kriminellen Oligarchenwesen war damals noch eine Liebhaberei – die Rahmenbedingungen für die Ausplünderung Russlands im großen Stil stimmten noch nicht –, aber trotzdem hatte er im Leningrader Autohandel schon seine erste Dollarmillion verdient und dabei alle möglichen niederträchtigen Dinge verkauft, nur keine Autos.
Wir lebten beide in einer engen, feuchten Wohnung in den südlichen Vorstädten Leningrads – Mami war an Krebs gestorben – und gingen einander meistens aus dem Weg, weil keiner von uns die Entwicklung des anderen verstehen konnte. Eines Tages saß ich hemmungslos onanierend auf dem Sofa, die Beine gespreizt, so dass ich aussah wie eine satte, genau in der Mitte aufgeschnittene Flunder, als Papa aus der Winterkälte hereinstolperte. Über seinem seidigen neuen westlichen Rollkragenpullover hüpfte sein schwarzbärtiger Kopf auf und ab, und seine Hände zitterten vor Schreck, weil sie plötzlich so viel grünes amerikanisches Geld zählen mussten. »Steck das Ding weg«, sagte er und blickte meinen
chuj
verächtlich aus rotgeränderten Augen an. »Komm in die Küche. Wir müssen reden. Unter Männern.«
»Unter Männern«, das klang nicht gut, weil es mich wieder daran erinnerte, dass Mami tot war und mich niemand mehr zur Schlafenszeit in meine Decke wickelte und mir sagte, dass ich noch immer ihr Liebling war.
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