Snow Angel
Dieses kleine Glas Chianti hat sie unternehmungslustig gemacht. Und viel sicherer, als sie es sich im Umgang mit ihm jemals hätte vorstellen können. Bewusst langsam schält sie sich aus der Hose und baut einen kleinen, aufreizenden Hüftschwung ein. Der Pullover ist schnell über den Kopf gezogen, der Rolli folgt.
Sie steht da mit dem winzigen Nichts von String. Er hebt sie mühelos hoch und legt sie in die Mitte des Bettes. Noch immer schaut sie ihm direkt in die Augen. Simon steht am Fußende und entledigt sich seines dicken Wollpullovers.
Scharf zieht Nina die Luft ein. Es wundert sie nun gar nicht mehr, wie es ihm gelungen ist, sie den steilen Abhang heraufzubringen. Den nächsten Schreck bekommt sie, als er seine Jeans von den Hüften rutschen lässt. Nun gelingt es ihr nicht mehr, den Augenkontakt aufrecht zu halten. So viel Männlichkeit hat sie nicht erwartet. Eine Gänsehaut läuft ihr über den Rücken, als er sich zu ihr legt.
„Augen auf!“, fordert er und sein warmer Bariton setzt ein kleines Ameisenbataillon in Bewegung, das im Nacken startet, sich über den runden, festen Brüsten in zwei Abteilungen spaltet und direkt auf ihrem Venushügel wieder vereint, um dort ganz offenbar ein Barbecue zu veranstalten.
Sie wagt es nicht, die Augen zu öffnen. Zu eindeutig würde ihr Blick ihm verraten, dass es nichts mehr ist mit ihrem kleinen alkoholbedingten Ausflug in ein ungewohntes, freches Selbstbewusstsein.
„Augen auf!“
Oh, Himmel hilf!
Wenn sie jetzt die Augen öffnet, wird er alles in ihnen lesen können. Sie wird nackter sein, als sie es ohnehin schon ist.
Schon wieder dieser nun geflüsterte Befehl: „Augen auf!“
Genau wie vorhin nimmt er ihren Kopf in beide Hände und die Ameisen legen noch eine Schippe Kohlen auf. Sacht streicht er mit einem Finger über ihren Mund, öffnet ihre Lippen. Sie möchte nur genießen, will allein sein mit ihrer Lust und nicht sehen müssen. Aber er lässt nicht locker, will in ihre Seele blicken. Es ist nicht sein Körper. Nicht allein sein Körper!
Es ist diese unglaubliche Präsenz, dieses Fordern. Und dieses „Sich-nicht-verstecken-dürfen“, das sie noch so schwer zulassen kann. Ich seh' dich nicht, also siehst du mich auch nicht! Wie ein Kind, das sich die Hand vor die Augen hält und sich so unsichtbar glaubt.
Nina hat noch nie zuvor erlebt, wie sehr es das völlige Einlassen aufeinander beflügelt, die Augen nicht zu verschließen, sehend ineinander zu tauchen. Langsam hebt sie die Lider, wagt einen zaghaften Blick. Und erkennt in seinen Augen einen unendlichen See voller Liebe, Aufrichtigkeit und Gier. Ehe sie wieder zögern kann, schüttelt er den Kopf. „Bleib da, mein Schnee-Engel. Nicht wieder abhauen!“
Sie wagt es. Wagt es, mit allen Sinnen zu genießen, was geschieht. Das letzte winzige Stückchen Rüstung gibt sie leichten Herzens her, zieht sich selbst den Fetzen Stoff herunter. Seine Küsse, seine Hände überall, Ameisen zu Höchstleistungen anspornend. Mit weit offenen Augen sieht sie die tosende Leidenschaft der Vereinigung.
Bis der Blick ihr bricht und der erste wirkliche Orgasmus ihres Lebens sie überrollt.
Nina ringt nach Luft. Und sie ringt um Fassung.
Simon missdeutet ihr Japsen, hebt den Oberkörper an, will ihrem Brustkorb Platz zum Atmen geben.
„Jetzt bleib du aber hier! Nicht abhauen!“, schnurrt sie wohlig, schlingt die Arme fest um seinen Oberkörper und zieht ihn wieder dicht zu sich heran.
Nah an ihrem Ohr flüstert er: „Mein lieber Schwan, die Mieze kann nicht nur kochen, die kann auch abgehen wie 'ne Rakete!“
„Simon, ich muss dir was sagen!“
Alarmiert sieht er sie an.
„Ich habe das so noch nie erlebt.“
„Wie? Was hast du so noch nie erlebt? Du bist doch keine Jungfrau mehr gewesen!“
„Nein“, sagt sie lächelnd, „aber ich habe mich immer gefragt, was für ein Theater andere Frauen immer um Sex machen. Ich fand‘s bisher ziemlich öde. Vielleicht muss man dafür doch alte Männer nehmen?“
„Alte Männer? Bei dir piepst wohl? Ich bin neunundzwanzig! Und im Übrigen, mein schnurrendes Miezekätzchen, wer hier wen 'nimmt', das müssen wir doch wohl jetzt nicht wirklich klären, oder?“
Nina seufzt und verbirgt den Kopf an seiner Brust. Sowieso ein Platz, an dem sie ihren Kopf ganz besonders gut aufgehoben fühlt. „Du verstehst mich nicht“, jammert sie.
„Doch, ich versteh dich schon, du drückst dich bloß mal wieder etwas
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