Snow Angel
sich unvoreingenommen auf ihn, auf diese Liebesgeschichte, die sich so unverhofft anbahnt, einlassen. Und doch nagen Zweifel an ihr.
Sie steigt aus der Wanne, wickelt sich in ein riesiges Saunatuch, rubbelt sich die Haare trocken und findet eine Bürste. Eine typische Männerbürste. Es dauert, bis sie damit die langen Locken halbwegs auseinandergetüddelt hat. Nina hatte auf eine Zahnbürste gehofft. Sie findet genau eine. Seine. Also entschließt sie sich, etwas Zahnpasta auf den Finger zu geben, und erreicht immerhin ein recht zufriedenstellendes Gefühl glatter Zahnoberflächen. Die sehr sparsame Ausstattung mit Kosmetika in dem kleinen Schränkchen trägt zu ihrer Beruhigung bei. Nur die Aspirinschachtel, die ihr gerade entgegen gefallen ist, lässt all ihre inneren Alarmglocken läuten. Gestern Abend hätte sie ihre Pille nehmen müssen.
Und nun? Wenn es jetzt auf das hinauslaufen sollte, was sie ersehnt, könnte sie ein ganz schönes Problem bekommen. Nina rechnet nach und kommt zu einem Schluss. Erst vor zwei Tagen hatte sie mit der neuen Packung angefangen. Eigentlich ziemlich unwahrscheinlich, dass so schnell die Gefahr einer Schwangerschaft drohen könnte.
Sie will ihn. Es gibt wohl nichts, was sie im Augenblick mehr will.
Er ist so anders als all ihre vorigen Beziehungen. Jede ist spätestens nach drei Monaten beendet gewesen. Die Gleichaltrigen haben vor allem eines gekonnt, nämlich Nina unglaublich schnell gelangweilt. Keinem ist es gelungen, sie lange zu binden. Nett waren sie gewesen, ja, aber irgendwie hat sie nie das Gefühl gehabt, dass sie viel mehr waren als Kumpel. Keiner hat es geschafft, sie wirklich verliebt zu machen und was im Bett passierte, hinterließ immer wieder einen faden Nachgeschmack bei Nina. Es hat sich eher wie Turnübungen angefühlt, als wie die sagenhafte Sensation, von der alle Welt erzählt.
Dieses übermächtige Kribbeln, das sie jetzt fühlt, hat sie noch nie erlebt, noch nie diese körperlich spürbare Sehnsucht empfunden, noch nie diese schmerzhafte Eifersucht. Und sich noch nie durch einen einzigen Kuss so überwältigt gefühlt. Je länger sie über Vergangenes nachdenkt, desto trüber wird der Glanz, in dem es scheint. Diese Sache jetzt strahlt ganz anders. Es fühlt sich an wie ein Blitzeinschlag und sie ist sich ziemlich sicher, dass sie endlich herausfinden wird, warum sich das ganze Universum um diese angeblich „schönste Sache“ zu drehen scheint.
Liebe auf den ersten Blick! Das muss es ein! Dann gibt es das also doch. Wenn er doch bloß genauso empfinden würde …
Nina zieht sich an und beginnt mit dem zarten Spitzenslip. Er passt wie angegossen, und als sie an sich heruntersieht, bemerkt sie, wie sexy er wirkt. Alles, was er ihr hingelegt hat, erweckt den Anschein, es wäre allein für sie angeschafft worden.
Er ist noch nicht zurück und sie entschließt sich, Holz nachzulegen und Tee zu kochen. Ein Blick in den gut gefüllten Kühlschrank bringt sie auf eine Idee zum Abendessen. Seit dem ausgiebigen Frühstück haben beide nichts mehr gegessen. Ihr knurrt der Magen und sie ist sicher: Ihm wird es nicht anders gehen. Nina sieht auf die Uhr.
„
Eine Stunde“, hat er gesagt. Die ist lange rum.
Das Päckchen Rinderhack ist mit dem Haltbarkeitsdatum von heute ausgezeichnet. Das muss sowieso verbraucht werden. Sie entscheidet sich für Spaghetti Bolognese mit Tomaten und Mozzarella. Die Arbeit geht ihr leicht von der Hand. In der winzigen Küche hat sie sich schnell orientiert und alles gefunden, was sie braucht. So flott, wie der Gasherd ist, fürchtet sie beinahe, er könnte doch zu spät kommen und alles würde womöglich verkocht sein. Als der Schlüssel sich im Schloss dreht, hat sie gerade den Tisch gedeckt, eine große Stumpenkerze angezündet und die Nudeln abgegossen.
Er erstarrt, als das Bild, das ihn erwartet, seine Wirkung entfaltet. In seinem Gesicht spiegelt sich eine Mischung aus Freude, Schmerz und Überraschung, die sie absolut nicht deuten kann. Ninas erwartungsvolles Strahlen weicht einer unangenehmen Anspannung.
Es muss an diesen Klamotten liegen, die er mir gegeben hat.
Wer hat die nur vor mir getragen?
Simon fängt sich schnell. „Donnerwetter, da habe ich mir ja einen ganz besonderen Schatz aus dem Schnee gegraben! Du kannst kochen? Es riecht unglaublich gut und ich habe Hunger wie ein Bär.“
„Natürlich kann ich kochen! Na ja, es reicht zumindest für den Hausgebrauch. ‚Nouvelle Cuisine‘ kannst
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