Snow Angel
versuchen, mich dazwischenzudrängen, wenn du es nicht ausdrücklich willst. Wir haben den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht.“
„Und weißt du, was das Schlimmste ist?“, fragt er und setzt sich sehr aufrecht hin.
Nina sieht ihn an. Auf alles gefasst.
„Ich habe das geplant! Ich wollte dich. Wollte dich so sehr. Vom ersten Moment an, als du hier auf diesem Sofa langsam zu dir gekommen bist.“
Ninas Augen weiten sich.
„Dass die Chemie zwischen uns stimmt, war unübersehbar. Erst wollte ich dich nur verführen, wollte dich besitzen. Dann wollte ich wissen, ob ich noch in der Lage bin, mich zu verlieben, und zu mehr fähig bin als zur Jagd auf eine verführerische Trophäe. Es war mir verdammt bewusst, dass ich ein Spiel mit dem Feuer anfange. Und irgendwann habe ich den Überblick verloren, mich von dir einfangen lassen. Du hast mich wieder aufgeweckt, Nina, und von dem Moment an wollte ich dich zu meiner Frau machen.“
Scharf zieht sie die Luft ein. Eiskalt baut sich eine Mauer um sie auf. Sie muss sich jetzt schützen, um nicht endgültig unterzugehen.
Er hat es gesagt. Indirekt hat er es gesagt!
Aber was ändert es wirklich? Die Frage bleibt: Was, wenn sie wiederkommt?
Es dauert, bis sie eine Antwort geben kann. Eine Antwort, die wie ein scharfes Schwert trifft, ihn sich krümmen lässt und ihr selbst die Kehle zuschnürt.
„Ich kann nicht deine Frau sein, Simon. Auch wenn es nichts gibt, was ich lieber wäre. Du hast eine Frau. Du bist nicht frei.“
11. Kapitel
Sie ist aufgestanden, hat ihn sitzen lassen und sich ins Bett gelegt.
Als er kurze Zeit später nachkommt, stellt sie sich schlafend. Mit brüchiger Stimme flüstert er leise: „Schlaf gut, Schnee-Engel.“
Ein kleines Wort hat er weggelassen, das ihr jedes Mal so sehr dieses warme, glückliche Gefühl verschafft hatte. Das kleine Wörtchen „mein“.
Sie hat ihm den Rücken zugedreht, kämpft mit den Tränen. Und kann doch nicht verhindern, dass sie sich heiß den Weg über ihre Wangen bahnen, nach und nach das Kopfkissen durchfeuchten. Bald bekommt sie kaum noch Luft, die Nase ist zu. Er soll es nicht mitbekommen.
An seinen Atemzügen merkt sie, dass auch er nicht einschlafen kann.
Es gibt wohl nichts, was sie beide lieber getan hätten, als sich einander zuzuwenden, sich aneinander festzuhalten und gemeinsam einen Weg zu suchen, sich nie wieder loslassen zu müssen.
Aber keiner von ihnen schafft es, über den Schatten zu springen, der trennend zwischen ihnen steht.
Nina sieht nur noch einen einzigen Ausweg. Sobald es hell wird, will sie gehen. Sie beginnt Schäfchen zu zählen, um sich abzulenken. Es nützt nichts. Sie sagt sich alle Hunderassen im Geist auf, die sie kennt, versucht es mit Blumenarten, dann mit alten Gedichten, mit Kinderreimen, die sie mal auswendig gelernt hat. Irgendwann fällt sie erschöpft in einen unruhigen Traum.
Nina schaut aus dem Fenster. Die Sonne scheint und lässt den frischen Schnee glitzern. Winterblau wölbt sich der Himmel über den beschneiten Tannen, die im Rund um die freie Fläche hinter dem Haus stehen. Simon spielt mit Ben. Das bunte Stoffbündel fliegt durch die Luft, fällt in eine tiefe Schneewehe. Ben gräbt es aus, trägt es zu seinem Herrn zurück, bekommt eine Belohnung. Der junge Hund sitzt mit erwartungsvollem Gesicht vor ihm, lässt die Zunge zwischen den Lefzen heraushängen. Ein paar Mal täuscht Simon den nächsten Wurf nur an. Ben verharrt im halben Losspringen, schaut gespannt auf die Hand, wartet auf eine neue Herausforderung. Dieses Mal fliegt das Bündel in Richtung des Fensters, hinter dem Nina steht und ihnen zuwinkt.
Weder Ben noch Simon nehmen sie wahr.
Der Hund hat das Spielzeug gefunden, dreht sich um und beide fixieren jetzt gespannt die Hausecke, die Nina von hier aus nicht sehen kann. Mit einem fröhlichen Lachen im Gesicht läuft eine Frau auf Hund und Herrn zu. Ben springt begeistert an ihr hoch.
Simon nimmt sie strahlend in die Arme.
Laura!
Nina erwacht schweißgebadet. Schwer liegt Simons Arm über ihrer Brust. Der Schlaf hat ihm erlaubt zu tun, was er in wachem Zustand jetzt nicht gewagt hätte. Zwischen den Gardinen meint sie erstes Morgenlicht zu erkennen, windet sich ganz vorsichtig aus seiner Umarmung und schlüpft aus dem Bett. Einmal noch dreht sie sich um, streicht ihm so sanft übers Haar, dass sie ihn beinahe gar nicht berührt. Dann geht sie ins Kaminzimmer, zieht sich
Weitere Kostenlose Bücher