Snow Angel
presst sein Gesicht in den Schnee, hält ihm die Hände zusammen.
„Habe ich dich endlich, du Sack! Jetzt darfst du dich auf was gefasst machen! Mit dir wollte ich mich schon immer mal ausgiebiger beschäftigen, ehe ich dich der Polizei übergebe.“ Simon ist außer sich vor Wut.
Nina hat sich aufgerappelt, rennt los, findet die Waffe im tiefen Schnee, richtet sie mit einer Hand auf den Wilderer, während sie mit der anderen fahrig den Gürtel aus ihrem Overall zieht und hinunterreicht. Schnell hat Simon dem Mann die Hände gefesselt, nimmt Nina die Pistole aus der zitternden Hand.
„Alles okay?“, flüstert er.
Sie nickt.
Simon schnauzt den reglos Liegenden an: „Aufstehen!“
Mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken, die Hände knapp über dem Gesäß zusammengebunden, hat der Wilderer große Schwierigkeiten, sich zu erheben. Jedem anderen Menschen hätte Nina sofort aufgeholfen. Hier kann sie aber ein hämisches Grinsen einfach nicht unterdrücken.
„Los, vorwärts!“, treibt Simon den Mann bergan.
Nina zögert. Soll sie mit ihm gehen oder ihren Marsch nach unten fortsetzen? Es ist kaum eine halbe Stunde her, dass sie fest entschlossen war, ihn zu verlassen. Nun hat das Schicksal schon wieder ihrer beider Lebensfäden in die Hand genommen und zusammengeführt. Wäre Simon nicht aufgekreuzt, genau in diesem Moment, hätte sie den Wilderer passiert und wäre längst bei ihrem Auto angekommen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Mann mehr getan hätte, als bestenfalls ihren Gruß zu erwidern.
Es ist gut, dass er dieses Arschloch endlich dingfest gemacht hat! Aber er hätte ihn genauso gut einfangen können, wenn ich an ihm vorbei gewesen wäre.
Hätte er?
Nein, hätte er nicht! Denn warum hätte Simon so früh aufstehen sollen, wenn ich nicht gegangen wäre und unser lieber Freund Ben ihn vermutlich dann doch auf mein Verschwinden aufmerksam gemacht und geweckt hätte?
Egal, wie man es dreht und wendet, so einfach kommen wir anscheinend nicht voneinander los. Kann ich ihn jetzt alleine gehen lassen?
„Denk nicht mal drüber nach!“
Nina sieht auf, als sie Simons Stimme hört. Und er ist ihr unheimlich in diesem Moment. Sein Blick beweist, dass er genau weiß, welche Gedanken ihr gerade im Kopf herumgegangen sind.
Sie erwidert seinen Blick. Ihr winziges, aber entschlossenes Nicken macht ihm deutlich, dass sie sich entschieden hat.
Die Sache müssen wir noch gemeinsam zu einem Ende bringen. Danach wird es mir freistehen zu gehen.
Der Weg zur Hütte dauert seine Zeit. Mühsam stapft der Wilderer voran. Getrieben von Simons wenig höflichen Worten und ganz offenbar in dem Bewusstsein, dass eine Waffe auf ihn gerichtet bleibt. Ein paar Mal stolpert er, fällt beinahe, hat enorme Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten. Mitleid kann er nicht erwarten.
In der Hütte angekommen, wirft Simon Nina die Autoschlüssel zu. „Hol das Tape. Du weißt, wo es ist!“
Einen derartig harschen Befehlston ist sie nicht gewohnt. Dennoch tut sie jetzt, was er sagt, beeilt sich, ins Haus zurückzukommen. Zwei schnelle Schnitte mit dem Jagdmesser und der Rucksack fällt dem kleinen Mann vom Rücken, kracht scheppernd zu Boden.
„Sieh nach, was drin ist“, weist Simon sie an.
„Fallen! Sieh mal, da hängen sogar noch die Preisschilder dran. Die muss er ganz frisch erstanden haben.“ Nina ist empört. Der Wilderer lässt ein schnarrendes Lachen hören und darf sich umgehend fragen, ob er sich nicht besser zurückgehalten hätte. Eine schallende Ohrfeige trifft ihn und ein dünnes Rinnsal Blut läuft aus seiner Nase. Simon macht sich keine Umstände mit ihm, setzt ihn auf einen der Stühle und schnürt ihn kurzerhand mit dem Klebeband darauf fest.
„Könntest du vielleicht einen Kaffee aufsetzen, Nina?“
„Ja, könntest du bitte einen Kaffee aufsetzen, Nina? Reizende Einladung zum Frühstück“, schnarrt der Alte.
„Pass mal auf, du Arschgesicht: Das Einzige, was du hier kriegen kannst, ist eine Tracht Prügel und nachher eine nette Fahrt direkt in den Knast!“, verspricht ihm Simon.
„So, so. Das denkt sich der feine Herr so! Du hast gar nichts gegen mich in der Hand. Einen harmlosen Wanderer mit der Waffe bedrohen, ha! Wollen wir doch mal sehen, wer hier heute noch einfährt!“
„Wilderei, Freiheitsberaubung, Nötigung, versuchter Mord. Du hast heute ganz schön gesammelt. Das dann zu entscheiden, werden wir hübsch der Kripo überlassen, Opa!“, antwortet
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