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Snow Angel

Snow Angel

Titel: Snow Angel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Izabelle Jardin
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hören. Sie ist sich sehr bewusst, dass er zunächst sein Herz befreien muss. Und es ist nicht die leiseste Spur von Enttäuschung in ihr, als er endlich zu sprechen beginnt. Sie spürt nur unendliche Erleichterung. Und hat das Gefühl, ein schwach glimmender Docht habe mit fast vergangener Glut im letzten Moment gerade noch die Kraft gehabt, ein Licht zu entzünden, das nun mit kräftigem Fauchen aufblafft und den dunklen Raum erleuchtet.
    „Es war im August vor zweieinhalb Jahren. Genau an dem Tag, als der Wilderer mich angeschossen hat. Ich hatte keine Ahnung, dass sie früher nach Hause gekommen war. Eigentlich dachte ich, sie hätte noch ein paar Tage lang an der Uni zu tun. Sie war jünger als ich, hatte später mit dem Studium begonnen. Ich war mit der Assistenzzeit fertig, hatte gerade die Praxis eröffnet. Mein Vater hat sie mir ausgestattet mit allem, was man sich als junger Veterinär wünschen kann. Es lief gut an. Wir wollten sie uns später als Gemeinschaftspraxis teilen. Und wir wollten heiraten. Sogar ganz altmodisch verlobt haben wir uns.“ 
    Ein unangenehmer Schauer kriecht ihr über den Rücken. Es tut weh. Aber sie weiß, sie wird da jetzt durch müssen, wenn sie eine Chance haben will. Und schon überhaupt dann, wenn sie eine gemeinsame Chance haben wollen, muss sie jetzt Stärke beweisen. Nina fühlt sich nicht wirklich stark.
    Wie gut, dass ich mein Gesicht hier verbergen kann. Wie gut für mich und wie gut für ihn. Es soll ihn jetzt nichts stören.
    „Ihre Eltern haben damals ausgesagt, dass sie angenommen haben, sie wollte zu mir. Das kann aber nicht stimmen, denn ihr Auto stand zu Hause vor der Tür. Wir sind oft zusammen hier oben gewesen. Laura hatte immer Klamotten in der Hütte. Eigentlich hatten wir einen ganzen Hausstand hier. Sie wohnte noch bei ihren Eltern, wenn sie in der Stadt war. Meine Wohnung war noch sehr unfertig eingerichtet. Die Praxis hatte erst mal Vorrang. Deshalb haben wir die Wochenenden meistens hier verbracht. Wir waren gern zusammen allein im Wald. Wir brauchten nur uns.“
    Nina spürt, wie er stockt. Die Erinnerung, die die letzten Sätze heraufbeschworen haben, muss schmerzen. Er hat ihren Kopf in die Hände genommen, die Stirn auf ihren Scheitel gelegt. Und sie fühlt seine Tränen in ihrem Haar. Es dauert eine lange Weile, bis er sich gefasst hat und wieder sprechen kann. 
    „Es gab keine Spuren, Nina! Nicht den kleinsten Anhaltspunkt. Sie war und ist verschwunden. Ich weiß nicht, ob sie lebt oder ob sie tot ist. Ich konnte sie noch nicht einmal begraben, nicht betrauern. Immer zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Abschließen-müssen und Immer-noch-Warten. Vielleicht war das der Grund, warum ich mich auf Lizzy eingelassen habe. Sie ist das komplette Gegenteil von Laura. Alle haben mir zugeredet. Ich müsste aus meinem Schneckenhaus raus, müsste nach vorne sehen.“
    Wieder macht er eine lange Pause. Sie fühlt, dass es noch mehr ist, was er ihr sagen will. Einen Moment lang hat sie sich beinahe entschlossen, sich aufzurichten. Da spricht er weiter. 
    „Und dann bist du gekommen! Nein, eigentlich bist du gar nicht gekommen. Du wolltest nicht zu mir und ich habe nicht nach dir gesucht. Du scheinst mir vom Schicksal geschickt zu sein. Und du bist ihr in vielem so ähnlich und doch ganz anders.“
    Langsam hebt er ihr Gesicht zu sich, sieht ihr in die Augen, versucht ein kleines Lächeln. 
    „Eben ein Schnee-Engel! Aber ich hoffe, du bist nicht so vergänglich!“ 
    Nina ist überwältigt von dem Augenblick. Seine Küsse schmecken salzig, sind voller Tränen.
    Aber was, wenn sie wiederkommt? Will er mich dann überhaupt noch? Oder bin ich dann abgemeldet? Oh Gott, was soll ich bloß tun? Ich liebe ihn!
    Nina findet sich auf den Fellen vor dem Kamin wieder. So fest ist sein Griff, dass es scheint, als würde sich ein schiffbrüchiger Ertrinkender an die Sicherheit vorspiegelnde Planke klammern.
    Sie ist nicht da! Aber er ist da! Und ich bin da!
    Und für den Augenblick: Nach mir die Sintflut!
    Es hätte sowieso keine Aussicht auf Erfolg gehabt, sich der Macht der Welle zu widersetzen, die über sie hereinbricht. Keine Zeit für Vorbehalte, keine Gelegenheit noch einmal nachzudenken. Sie lässt ihn, fühlt nur noch den Sturm, der sie fortreißt, lässt sich hilflos treiben wie ein Korken auf der See, ständig in Gefahr unterzugehen, und lässt sich selbst ertränken in seinen Küssen.
    Es dauert ein Weilchen, bis er zurückkehrt aus seiner

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