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Snuff: Roman (German Edition)

Snuff: Roman (German Edition)

Titel: Snuff: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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uns um. Ganz lässig. Ich nehme den Stift, ziehe die Kappe ab und schreibe eine neue »600« auf meinen Arm, über die alte Nummer. Dann auch auf den anderen Arm.
    Der Junge beobachtet seine Mutter, die nackt in Stöckelschuhen auf einen hohen Baum zu klettern versucht; die Szene ist schräg von unten gefilmt, Hunde kläffen um den Baum herum, Wachmänner kommen angerannt. Cassies helle Tangastreifen, an den Rändern mit einem Hauch von Acapulcosonne, dem Beige von zwei Wochen Sonnenbaden in Monterey, begrenzt von den roten Resten eines verlorenen Wochenendes in Tijuana.
    Mit nur einem Schritt bin ich im Rücken des Teddymanns und schiebe ihm von hinten meine freie Hand unter den Arm. Meine Hand wandert in seinen Nacken und packt die dünnen Haare an seinem Hinterkopf. Ich ziehe kräftig, halte ihn in einer Art Nelsongriff, und er fuchtelt hilflos mit dem freien Arm. Seine Füße rutschen auf dem mit Babyöl verschmierten Beton herum, kicken ohne Bodenhaftung, während ich ihm mit dem Filzstift ins Gesicht schreibe, was ich mir ausgedacht habe. Drei große Buchstaben auf seine Fernsehstar-Stirn. Ich lasse locker, er windet sich aus meinem Griff, fährt herum und glotzt mich an.
    Das alles schneller, als Worte es beschreiben können.
    Meine ganze Vorderseite, Brust, Arme und Bauch, alles schleimig vom Schweiß dieses Kerls.
    Der Teddymann, Gesichtsfarbe wie Rotkohl, starrt den Stift in meiner Hand an und sagt: »Was hast du da geschrieben?«
    Er greift sich mit beiden Händen an die Stirn, reibt heftig und sieht nach, ob seine Fingerspitzen schwarz sind. Er scheuert mit beiden Händen und sagt: »Du hast ›schwul‹ geschrieben, richtig?« Er sieht Nummer 72 an und sagt: »Hat er ›schwul‹ geschrieben?«
    Der Junge schüttelt bloß den Kopf.
    Der Teddymann sieht Sheila an.
    Und Sheila sagt: »Schlimmer.«
    Ich werfe Sheila den Stift zu und sage: »Er will Publicity? Jetzt kriegt er sie.« Sheila lässt den Stift auf dem Beton neben ihren Schuhen landen. Neben dem Stift liegt der Teddybär, den der Kerl sonst immer festhält, die Schrift darauf ist verschmiert und verlaufen, aufgelöst in einer Pfütze Babyöl.
    Der Teddymann spuckt auf seine Finger und reibt sich die Stirn. »Du«, sagt er, »du hast die Mutter dieses Jungen vergewaltigt. Du hast sie mit Drogen vollgepumpt und ihr Leben zerstört.«
    Nummer 72 sagt: »Wie bitte?«
    Sheila hebt eine Hand, sieht auf ihre Armbanduhr und sagt: »Meine Herren, wenn ich um Aufmerksamkeit bitten darf...«
    Und selbstredend blicken sie alle auf. Heben die Köpfe, um besser zu hören. Recken Arme, um die Monitore leiser zu stellen. Gebell und Sirenen verstummen.
    Der Teddymann stapft wutschnaubend Richtung Toilette und schubst Leute aus dem Weg. Seine nackten Füße patschen auf den Boden.
    »Ich brauche die folgenden Darsteller«, sagt Sheila und sieht auf ihre Liste.
    Und Nummer 72 fragt mich: »Wen hast du mit Drogen vollgepumpt?«
    Und der Teddymann schreit laut durch die Stille zu uns zurück: »Wach auf, du Idiot. Dieses Schwein ist dein Vater.«
    »Nummer 569...«, ruft Sheila. »Nummer 337...«
    Der Teddymann rempelt sich durch die von Babyöl triefenden Männer, die in der Klotür stehen, starr wie Statuen, um besser hören zu können.
    Sheila bückt sich und hebt den Stift auf. Dann sagt sie: »Und Nummer 137...«
    Ich sage zu dem Jungen: »Ich werde wegen dieser Sache heute nicht sterben.«
    Nummer 72 beugt sich vor, um den Teddy vom schmierigen Boden aufzuheben.
    Und in der Toilette sieht der Teddymann in den Spiegel über dem kleinen Waschbecken und fängt zu schreien an.

22
     
    Mr. 72
     
    Die mit der Stoppuhr ruft so lange nach diesem Dan Banyan, bis er endlich aus dem Klo kommt; Wasser läuft ihm übers Gesicht, er hat Seifenschaum am Haaransatz, und was noch von seinen Haaren übrig ist, klebt platt an den Ohren. Die Frau steht oben auf der Treppe, eine Silhouette vor der offenen Tür. Das Licht am Set ist so grell, dass man nicht hinsehen kann. Das Licht umtanzt ihren dunklen Umriss. Sie ruft nach Dan Banyan, nach seiner Nummer 137, bis er schließlich die Treppe raufkommt, wobei er sich immer noch mit nassen Papierhandtüchern die Stirn abwischt.
    Jeder sieht woanders hin, alle wenden den Blick ab von dem grellen Licht und diesem Fernsehdetektiv Dan Banyan, der sich mit beiden Händen die Augen reibt, die Schultern einzieht und zwischen japsenden Atemstößen immer wieder mit zitternder Stimme sagt: »... das ist nicht wahr...«
    Um das nicht sehen zu

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