Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
Vom Netzwerk:
Ritualmörder … Hintergrund und dann: noch eine Seite, auf der das Foto abgedruckt war. Håkan Bengtsson … Karlstad … acht Monate lang an einem unbekannten Ort … die Polizei bittet die Bevölkerung um ihre Mithilfe … sollte jemand beobachtet haben …
    In Oskars Brust fuhr Angst ihre Stacheln aus.
    Wenn ihn außer mir noch jemand gesehen hat, der weiß, wo er gewohnt hat …
    Die Kioskbesitzerin lehnte sich aus der Verkaufsluke heraus.
    »Willst du sie jetzt kaufen oder nicht?«
    Oskar schüttelte den Kopf, warf die Zeitung in den Ständer zurück und lief los. Erst auf dem Bahnsteig fiel ihm ein, dass er dem Fahrkartenkontrolleur gar nicht seine Streifenkarte gezeigt hatte. Er stampfte mit dem Fuß auf, lutschte an seinen Fingerknöcheln, hätte fast geweint.
    Nun komm doch, liebe Bahn, komm schon …
    *
    Lacke lag halb auf der Couch und schaute blinzelnd zum Balkon, auf dem Morgan vergeblich versuchte, einen Dompfaff zu sich zu locken, der auf dem Nachbargeländer hockte. Die sinkende Sonne hing genau hinter Morgans Kopf, verbreitete einen Glorienschein um seine Haare.
    »Jaaa … nun komm schon. Ich tu dir doch nichts.«
    Larry saß auf dem Sessel, schaute halb weggetreten einen Sprachkurs in Spanisch, der im Schulfernsehen lief. Steife Menschen bewegten sich in konstruierten Situationen über den Bildschirm, sagten:
    »Yo tengo un bolso.«
    »Qué hay en el bolso?«
    Morgan senkte den Kopf, sodass die Sonnenstrahlen Lacke in die Augen schienen und er sie schloss, während er Larry murmeln hörte:
    »Ke haj en el bolzo.«
    In der Wohnung roch es muffig nach Zigarettenrauch und Staub. Die Dreiviertelliterflasche war geleert, die leere Flasche stand neben einem randvollen Aschenbecher auf dem Couchtisch. Lacke starrte auf ein paar Brandmale, die nachlässig ausgedrückte Kippen auf der Tischplatte hinterlassen hatten; sie bewegten sich gleitend vor seinen Augen, sanftmütige Käfer.
    »Una camisa y pantalones.«
    Larry gluckste vor sich hin.
    »… pantalones.«
     
    Sie hatten ihm nicht geglaubt. Oder besser gesagt, sie hatten ihm geglaubt, sich jedoch geweigert, die Ereignisse so zu deuten, wie er es tat. »Spontane Selbstverbrennung«, hatte Larry gesagt, und Morgan hatte ihn gebeten, das bitteschön zu buchstabieren.
    Nur dass spontane Selbstverbrennung ungefähr genauso gut dokumentiert und wissenschaftlich belegt ist wie Vampire. Will sagen, überhaupt nicht.
    Aber man beschließt in der Regel, der unwahrscheinlichen Erklärung Glauben zu schenken, die einen am wenigsten zum Handeln animiert. Sie hatten nicht vor, ihm zu helfen. Morgan hatte sich Lackes Geschichte von den Vorfällen im Krankenhaus mit großem Ernst angehört, aber als es darum ging, denjenigen auszulöschen, der die Ursache von allem war, hatte er gesagt:
    »Was jetzt, du meinst, dass wir irgendwie … Vampirjäger werden sollen? Du und ich und Larry. Dass wir uns Pflöcke und Kreuze und so ein Zeug besorgen sollen … Nee, entschuldige mal Lacke, aber es fällt mir ein bisschen … schwer, mir das vorzustellen.«
    Als er in ihre misstrauischen, sich distanzierenden Gesichter sah, hatte Lacke unwillkürlich gedacht:
    Virginia hätte mir geglaubt, und der Schmerz hatte seine Nägel in ihn gebohrt. Er selber hatte Virginia nicht geglaubt, und deshalb hatte sie … er hätte lieber ein paar Jahre für einen Mord aus Barmherzigkeit im Gefängnis gesessen, als mit diesem Bild auf der Netzhaut leben zu müssen:
    Ihr Körper, der sich im Bett windet, während sich die Haut schwarz verfärbt, zu rauchen beginnt. Das Krankenhaushemd, das auf dem Bauch nach oben rutscht, ihr Geschlecht entblößt. Das Klappern der Stahlrohre ihres Betts, als ihre Hüften schlagen, auf und ab pumpen in einem wahnsinnigen Liebesakt mit einem unsichtbaren Mann, während auf ihren Schenkeln Flammen auflodern, sie schreit, schreit und der Gestank von verbrannten Haaren, verbrannter Haut füllt den Raum, ihre schreckerfüllten Augen, den meinen zugewandt, und in der Sekunde danach werden sie weiß, beginnen zu kochen … platzen …
    Lacke hatte mehr als die halbe Flasche getrunken. Morgan und Larry ließen ihn gewähren.
     
    »… pantalones.«
    Lacke versuchte von der Couch aufzustehen. Sein Hinterkopf wog so viel wie der Rest seines Körpers. Er stützte sich auf die Tischplatte, zog sich mühsam hoch. Larry stand auf, um ihm behilflich zu sein.
    »Lacke, verdammt … schlaf ein bisschen.«
    »Nein, ich muss nach Hause.«
    »Was willst du denn zu

Weitere Kostenlose Bücher