Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
Vom Netzwerk:
Hause?«
    »Muss nur … was erledigen.«
    »Es hat doch wohl nichts mit dem zu tun … worüber du geredet hast?«
    »Nein, nein.«
    Während Lacke sich zum Flur vortastete, kam Morgan vom Balkon herein.
    »Hör mal! Wo willst du denn hin?«
    »Nach Hause.«
    »Dann komme ich mit.«
    Lacke wandte sich um, bemühte sich, seinen Körper zu stabilisieren, sich möglichst nüchtern zu geben. Morgan ging zu ihm, hielt die Hände bereit, falls Lacke umfallen würde. Lacke schüttelte den Kopf, gab Morgan einen Klaps auf die Schulter.
    »Ich will jetzt alleine sein, okay? Ich will alleine sein. Ehrlich.«
    »Kommst du denn klar?«
    »Ich komme schon klar.«
    Lacke nickte wiederholt, blieb in dieser Bewegung hängen, war gezwungen, sie bewusst abzubrechen, um nicht ewig so stehen zu bleiben, wandte sich dann um und ging in den Flur hinaus, zog sich Schuhe und Mantel an.
    Er wusste, er war sehr betrunken, aber das war er schon so oft gewesen, dass er eine Art Routine darin hatte, seine Bewegungen vom Gehirn abzukoppeln, sie mechanisch auszuführen. Er hätte, zumindest für kurze Zeit, Mikado spielen können, ohne mit der Hand zu zittern.
    Aus der Wohnung hörte er die Stimmen der anderen.
    »Sollten wir ihn nicht …?«
    »Nein. Wenn er das sagt, muss man es respektieren.«
    Sie kamen jedenfalls noch in den Flur, um sich von ihm zu verabschieden. Umarmten ihn ein wenig unbeholfen. Morgan packte ihn bei den Armen, senkte den Kopf, um Lacke in die Augen sehen zu können, und sagte:
    »Du hast doch hoffentlich nicht vor, irgendwelche Dummheiten zu machen, was? Du hast uns, das weißt du doch.«
    »Nein, nein. Ja, ja.«
     
    Vor dem Hochhaus blieb er eine Weile stehen, betrachtete die Sonne, die im Wipfel einer Kiefer ruhte.
    Ich werde nie mehr … die Sonne …
    Virginias Tod, wie sie gestorben war, hing wie ein Senkblei in seiner Brust an der Stelle, an der bis jetzt das Herz gewesen war, ließ ihn geduckt gehen. Das Nachmittagslicht auf den Straßen war wie ein Hohn. Die wenigen Menschen, die sich darin bewegten … Hohn. Die Stimmen. Sie unterhielten sich über alltägliche Dinge, als könnte nicht … überall, jeden Moment …
    Es kann auch euch treffen.
    Vor dem Kiosk stand ein Mensch, der sich zur Luke hineinlehnte und mit dem Besitzer unterhielt. Lacke sah einen schwarzen Klumpen vom Himmel herabfallen, auf dem Rücken Halt finden und …
    Was zum Teufel …
    Er blieb vor den ausgehängten Schlagzeilen stehen, blinzelte, versuchte das Foto, das fast den gesamten Raum einnahm, richtig zu fokussieren. Der Ritualmörder. Lacke schnaubte. Er wusste doch Bescheid. Wie es sich eigentlich verhielt. Aber …
    Er kannte dieses Gesicht. Das war doch …
    Beim Chinesen. Der Mann, der … mir einen Whisky ausgegeben hat. Nee …
    Er trat einen Schritt näher, betrachtete das Bild genauer. Doch. Und ob er das war. Die gleichen engstehenden Augen, die gleichen … Lacke führte die Hand zum Mund, presste die Finger auf die Lippen. Bilder wirbelten umher, und er versuchte, einen Zusammenhang herzustellen.
    Er war von dem Mann eingeladen worden, der Jocke getötet hatte. Jockes Mörder hatte in der gleichen Häuserzeile gewohnt wie er selbst, nur ein paar Häuser weiter. Er hatte ihn ein paar Mal gegrüßt, er hatte …
    Aber er hatte es doch gar nicht getan. Das war doch …
    Eine Stimme. Sagte etwas.
    »Hallo Lacke! Jemand, den du kennst?«
    Der Kioskbesitzer und der Mann davor betrachteten ihn. Er sagte: »… ja«, und setzte sich wieder in Bewegung, ging heimwärts. Die Welt verschwand. Vor sich sah er den Hauseingang, aus dem der Mann gekommen war. Die abgedeckten Fenster. Er würde nachsehen. Das würde er.
    Seine Füße bewegten sich schneller, und sein Rückgrat streckte sich; das Senkblei war nun ein Glockenschlegel, der gegen seinen Brustkorb schlug, ihn erzittern ließ, eine tosende Ankündigung, die seinen Körper durchfuhr.
    Jetzt komme ich. Jetzt verdammt … komme ich.
    *
    Die U-Bahn hielt in Råcksta, und Oskar kaute ungeduldig, in Panik auf seinen Lippen herum; er fand, dass die Türen zu lange offen standen. Als es im Lautsprecher klickte, dachte er, der Fahrer würde den Fahrgästen mitteilen, dass sie hier eine Weile halten mussten, aber –
    »VORSICHT AN DEN TÜREN. DIE TÜREN SCHLIESSEN.«
    – die Bahn setzte sich in Bewegung.
    Er hatte keinen Plan, außer Eli zu warnen; dass jederzeit irgendwer die Polizei anrufen und sagen konnte, dass er oder sie diesen Typen gesehen hatte. In Blackeberg. Auf diesem

Weitere Kostenlose Bücher