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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Blätter von ihrer Jacke strich.
    Was sollte er mit dem Körper anstellen?
    Ungefähr achtzig Kilo Muskeln, Fett, Knochen, mussten fortgeschafft werden. Zermahlen, zerhackt, vergraben, verbrannt werden.
    Das Krematorium.
    Ja natürlich. Er konnte den Körper dorthin tragen, einbrechen und heimlich Feuer machen. Oder ihn einfach wie ein Findelkind vor den Toren ablegen und hoffen, dass ihre Lust, Feuer machen zu dürfen, so unbändig war, dass sie keinen Gedanken daran verschwendeten, die Polizei einzuschalten.
    Nein. Es gab nur eine Alternative. Rechterhand verlief der Parkweg durch den Wald und zum Krankenhaus. Zum Wasser.
    Er stopfte den blutigen Pullover unter die Jacke der Leiche, hängte sich die Tasche über die Schulter und schob seine Hände unter die Kniekehlen und den Rücken der Leiche. Richtete sich auf, taumelte kurz, stand. Der Kopf der Leiche fiel wie erwartet in einem widernatürlichen Winkel nach hinten, die Kiefer schlossen sich klackend.
    Wie weit war es bis zum Wasser? Ein paar hundert Meter vielleicht. Und wenn jemand kam? Dann war es, wie es war. Dann war es aus. In gewisser Weise wäre das schön.
     
    Aber es kam niemand, und am Wasser kroch er mit schweißdampfender Haut auf den Stamm einer Trauerweide hinaus, der sich fast waagerecht über die Wasseroberfläche hinausstreckte. Er hatte zwei große Steine vom Uferrand mit Seilen an den Füßen der Leiche befestigt.
    Nachdem er ein längeres Seilende zu einer Schlaufe um den Brustkorb der Leiche geschlungen hatte, schleifte er den Körper möglichst weit ins Wasser hinaus und löste anschließend das Seil.
    Er blieb noch eine Weile auf dem Baumstamm sitzen, die Füße knapp über dem Wasser baumelnd, blickte in den schwarzen Spiegel hinab, der von immer seltener aufsteigenden Luftblasen gekräuselt wurde.
    Er hatte es getan.
    Trotz der Kälte lief ihm brennend der Schweiß in die Augen, und sein ganzer Körper schmerzte unter der Kraftanstrengung, aber er hatte es getan. Direkt unter seinen Füßen lag der tote Körper verborgen vor der Welt. Es gab ihn nicht. Es stiegen keine Luftblasen mehr auf, und es gab nichts … gar nichts, was darauf hindeutete, dass dort unten eine Leiche war.
    Im Wasser spiegelten sich Sterne.

ZWEITER TEIL
VERLETZUNG
    … und sie nahmen Kurs auf Gegenden, in denen Martin
    nie zuvor gewesen war, weit jenseits von
    Tyska Botten und Blackeberg – und
    dort verlief die Grenze der bekannten Welt.
    Hjalmar Söderberg – Martin Bircks Jugend
     
     
    Doch wessen Herz einst die Waldfrau stahl
    der erhält es nimmer zurück.
    Träume im Mondschein seine Seele ersehnt
    Nie kann eine Gattin er lieben …
    Viktor Rydberg – Die Waldfrau

Am Sonntag brachten die Zeitungen einen detaillierteren Artikel über den Vällingbymord. Die Schlagzeile lautete:
    »WURDE ER DAS OPFER EINES RITUALMÖRDERS?«
    Bilder des Jungen, der Mulde im Wald, des Raums.
    Der Mörder von Vällingby war mittlerweile nicht mehr das Gesprächsthema in aller Munde. In der Mulde im Wald waren die Blumen verwelkt und die Kerzen erloschen. Die zuckerstangengestreiften Plastikbänder der Polizei waren entfernt, Spuren, die man gefunden hatte, gesichert worden.
    Der Artikel vom Sonntag brachte neuen Schwung in die Diskussionen. Immerhin deutete die Bezeichnung »Ritualmörder« an, dass sich dasselbe weder ereignen würde, oder etwa nicht? Ein Ritual ist schließlich immer etwas, das sich wiederholt.
    Alle, die jemals den Weg gegangen oder auch nur in seiner Nähe gewesen waren, hatten etwas zu erzählen. Wie unheimlich es einem in diesem Waldstück zumute war. Oder aber wie friedlich und schön es in diesem Waldstück war, man hatte doch nicht ahnen können …
    Alle, die den Jungen gekannt hatten, und sei es noch so flüchtig, wussten zu berichten, welch ein feiner junger Mann er gewesen war und welch eine Bestie von Mensch doch der Mörder sein musste. Man zog den Mord gerne als Beispiel für Fälle heran, in denen die Todesstrafe ihre Berechtigung hätte, auch wenn man grundsätzlich natürlich dagegen war.
    Eins aber fehlte. Ein Bild des Mörders. Man starrte auf die nichtssagende Mulde, das lächelnde Gesicht des Jungen. In Ermangelung eines Bildes der Person, die diesen Mord begangen hatte, war es gleichsam einfach … passiert.
    Das war unbefriedigend.
    Am Montag, den 26. Oktober, ließ die Polizei über Rundfunk und Presse verlautbaren, man habe die größte Menge Rauschgift beschlagnahmt, die in Schweden jemals entdeckt worden war, und fünf

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