So finster die Nacht
Libanesen verhaftet.
Libanesen.
Das war zumindest etwas, das man verstehen konnte. Fünf Kilo Heroin. Und fünf Libanesen.
Ein Kilo pro Libanese.
Die Libanesen hatten noch dazu die schwedischen Sozialversicherungssysteme geschröpft, während sie ihren Stoff schmuggelten. Zwar gab es ebenso wenig Fotos von den Libanesen, aber das war auch nicht nötig. Wie ein Libanese aussieht, weiß man doch. Araber. Ja, ja.
Man spekulierte, ob der Ritualmörder ebenfalls Ausländer war. Es erschien naheliegend. Gab es in den arabischen Ländern nicht irgendwelche blutigen Rituale? Der Islam. Die schickten ihre Kinder doch mit Plastikkreuzen los oder was sie da um den Hals hängen hatten. Als Minenräumer. Das hatte man jedenfalls gehört. Grausame Menschen. Iran. Irak. Libanesen.
Doch am Montag verbreitete die Polizei ein Phantombild des Mörders, das bereits in den Abendzeitungen des gleichen Tages abgedruckt werden konnte. Ein junges Mädchen hatte ihn gesehen. Man hatte sich Zeit gelassen, war sorgfältig vorgegangen, als man das Bild erstellte.
Ein ganz gewöhnlicher Schwede. Mit gespenstischem Aussehen, einem leeren Blick. Man war sich einig, ja genau, so sah ein Mörder aus. Mühelos konnte man sich vorstellen, wie sich dieses maskenhafte Gesicht in der Mulde anschlich und …
Alle in den westlichen Vororten Stockholms, die dem Phantombild ähnelten, mussten sich lange, abschätzende Blicke gefallen lassen. Sie gingen nach Hause und betrachteten sich im Spiegel, konnten keinerlei Ähnlichkeit entdecken. Abends, im Bett, überlegten sie, ob sie am nächsten Tag ihr Äußeres verändern sollten, oder würde das verdächtig wirken?
Sie hätten sich nicht sorgen müssen. Die Leute sollten mit ihren Gedanken schon bald woanders sein und Schweden ein anderes Land werden. Eine verletzte Nation. Denn das war das Wort, das man ständig benutzte: Verletzung.
Während die Phantombildähnlichen in ihren Betten liegen und über eine neue Frisur nachsinnen, ist in unmittelbarer Nähe des südschwedischen Karlskrona ein sowjetisches U-Boot auf Grund gelaufen. Seine Motoren jaulen und hallen durch die Schären, als es freizukommen versucht, aber niemand fährt hinaus, um der Sache nachzugehen.
Erst Mittwochmorgen wird es rein zufällig entdeckt werden.
MITTWOCH, 28. OKTOBER
Beim Mittagessen machten in der Schule Gerüchte die Runde. Ein Lehrer hatte in der kurzen Pause Radio gehört, seiner Klasse davon erzählt, und in der Mittagspause wussten es alle.
Die Russen waren gekommen.
In der letzten Woche war der Mörder von Vällingby das große Gesprächsthema gewesen. Mehrere hatten ihn gesehen, einige behaupteten sogar, von ihm attackiert worden zu sein.
Man hatte in jeder zwielichtigen Gestalt, die an der Schule vorbeikam, den Mörder gesehen. Als ein älterer Mann in schmierigen Kleidern die Abkürzung über den Schulhof nahm, waren die Kinder schreiend davongelaufen und hatten sich im Schulgebäude versteckt. Ein paar von den abgebrühteren Jungen hatten sich mit Hockeyschlägern bewaffnet und darauf eingerichtet, ihn niederzuschlagen. Glücklicherweise hatte irgendwer in dem Mann einen der Penner erkannt, die immer vor dem Einkaufszentrum herumhingen. Man ließ ihn laufen.
Jetzt aber waren die Russen gekommen. Man wusste nicht viel über diese Russen. Ein Deutscher, ein Russe und Klein Fritzchen. Im Eishockey waren sie die Besten. Sie hießen Sowjetunion. Sie und die Amerikaner flogen ins Weltall. Die Amerikaner hatten eine Neutronenbombe gebaut, um sich vor den Russen zu schützen.
»Glaubst du, die Russen haben auch eine Neutronenbombe?«
Johan zuckte mit den Schultern. »Hundert pro. Vielleicht haben sie sogar eine auf dem U-Boot.«
»Muss man nicht ein Flugzeug haben, um Bomben abwerfen zu können?«
»Nee. Die haben die Dinger in Raketen, die überallhin abzischen.«
»Die Menschen sterben, und die Häuser bleiben stehen.«
»Genau.«
»Ich frage mich, was mit den Tieren ist.«
Johan überlegte einen Moment.
»Die sterben bestimmt auch. Jedenfalls die großen.«
Sie saßen auf dem Rand des Sandkastens, in dem momentan keine kleineren Kinder spielten. Johan hob einen großen Stein auf und warf ihn so, dass der Sand aufspritzte. »Peng! Alle sind tot!«
Oskar hob einen kleineren Stein auf.
»Nein! Da hat noch einer überlebt! Zisch! Raketen in den Rücken!«
Sie warfen Steine und Kies, löschten alle Städte der Welt aus, bis hinter ihnen eine Stimme ertönte.
»Was zum Teufel treibt ihr da?«
Sie
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