So finster, so kalt
Wetter sprechen.
Björn runzelte verwirrt die Stirn. »Eigentlich nicht.«
»Vielleicht streifen hier ein paar Füchse herum«, ergänzte Merle. »Die sollen sehr zutraulich werden, wenn sie Tollwut haben. Nach allem, was die Mädchen erzählt haben, glauben wir jedenfalls nicht daran, dass sie irgendeinem Menschen begegnet sind.«
Björn setzte Ronja ab und fuhr sich nachdenklich mit der Hand über den Bart. »Das wäre schon möglich. Luke mochte Tiere immer sehr gern.«
»Luke will immer alle Tiere streicheln«, begann Amelie schüchtern, »deshalb wollte er das Reh fangen. Wir sind viel zu weit weggelaufen. Ich habe es ihm gesagt und Ronja auch. Aber er wollte nicht auf uns hören, obwohl wir älter sind.«
Eine bessere Erklärung hätte kaum jemand liefern können. Endlich nickte Björn verstehend, und Merle fiel ein Stein vom Herzen.
Ronja gelang es, Amelie von Jakob fortzuziehen, und die Mädchen wandten sich in Richtung Wohnhaus.
»Danke noch mal«, sagte Björn. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Habt ihr Hunger? Wollt ihr hier übernachten?«
»Ich möchte nach Hause. Willst du mitkommen?«, antwortete Merle an Jakob gewandt.
Dessen Miene zeigte echte Überraschung. »Darf ich?«
Björn winkte ihnen lächelnd und folgte den Kindern.
»Wir beide müssten noch mal miteinander reden«, erklärte Merle streng. »Die Sache mit der Versöhnung war nicht abgesprochen.«
»Schade. Ich dachte, so kürzen wir das etwas ab.« Jakob steckte die Hände in die Hosentaschen und starrte befangen auf seine Füße.
Merle senkte die Stimme. »Ich möchte nicht allein zum Häuschen gehen. Greta treibt sich immer noch hier herum. Du bist der Einzige außer mir, der weiß, mit wem wir es zu tun haben.«
»Ach, so ist das?«
»Nein!«, widersprach Merle hastig. »Komm mit, bitte. Ich möchte, dass du heute Nacht bei mir bleibst.«
»Dann warte, ich gehe kurz meine Sachen holen.« Jakob blieb ernst, lächelte nicht, was Merle einen beschämten Stich versetzte.
Während sie schweigend den vertrauten Pfad entlangwanderten, ging ihr auf, dass sie noch viel klären mussten, und zwar auf beiden Seiten.
Sie blieben wachsam, doch alles war ruhig. Ohne Zwischenfälle erreichten sie das Häuschen, dessen Tür einladend offen stand.
Merle führte Jakob in die Stube. Als er den Raum betrat, wusste sie, dass sie ihm bedingungslos vertrauen konnte.
Das Haus hieß Jakob willkommen.
Während er seine Tasche nach oben brachte, stellte Merle zwei Gläser, Wein, Brot, Butter und Käse auf den Tisch. Es war bizarr, sich mit diesen normalen Dingen zu beschäftigen, während da draußen immer noch ein wahrgewordener Alptraum durch die Gegend streifte. Es machte diese absurde Situation wirklicher, als sie sein dürfte. Wie um sich beweisen zu müssen, was sie eben erlebt hatte, ging sie zu ihrer Jacke und zog die drei Äpfel aus der Tasche, betrachtete sie kurz, ohne etwas Besonderes zu entdecken, und legte sie danach ebenfalls auf den Tisch, jedoch weit weg von ihrem Essen.
Kurz darauf kehrte Jakob zurück, und sie setzten sich einander gegenüber. Keiner von beiden hatte richtigen Hunger. Trotzdem aßen sie kleine Happen und tranken hauptsächlich den Wein.
»Warum hast du heute Mittag vor dem Gemeindesaal gelogen?«, platzte Merle irgendwann heraus. Sie war zu erschöpft für Feingefühl und taktische Spielchen.
Jakob schüttelte energisch den Kopf. »Wieso habe ich gelogen?«
»Du hast nicht die Wahrheit gesagt, was du hier oben am Haus meiner Großmutter zu suchen gehabt hast.«
»Nein, nicht direkt, das stimmt schon.« Jakob hielt mit dem Weinglas in der Hand inne und trank erst einen tiefen Schluck. »Ich habe von Anfang an nach etwas Übernatürlichem gesucht, hatte aber gleichzeitig Angst, tatsächlich etwas zu entdecken. So etwas wie das Dokument deines Ahnen Hans vom Wald hatte ich nie zuvor gelesen. Diese Abweichung war derartig gravierend, dass ich nicht anders konnte, als zu glauben, was darin beschrieben war, obwohl sich alles in mir dagegen sträubte!
Natürlich wollte ich, dass die Leute meine Geschichte glaubten
.
Merle, ich wollte sie selbst glauben! Ich konnte mir nicht eingestehen, dass ich längst angefangen hatte, eine übernatürliche Erklärung zu akzeptieren. Ich bin Wissenschaftler! Die Tatsache, dass da draußen das ultimativ Böse herumläuft, macht mich irre! Ich bekomme allein von dem Gedanken Kopfschmerzen. Aber wenn es nur das wäre! Es verfolgt ausgerechnet die Frau, in die ich mich
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