So finster, so kalt
Hals über Kopf verliebt habe!« Fahrig sprang er auf, um sich sofort wieder auf die gleiche Stelle fallen zu lassen.
Merle wusste diesem Gefühlsausbruch nichts entgegenzusetzen. Sie hatte eine viel zu gute Vorstellung davon, was er meinte.
Jakob sah ihr sehr ernst ins Gesicht. »Ich möchte dir helfen«, sagte er schlicht.
Im nächsten Moment stürzte die Erkenntnis, was sie in den letzten Stunden alles erlebt und erfahren hatte, auf sie ein. Sie bekam Magenkrämpfe. Verstohlen presste sie die Hand gegen den Bauch, während sie den galligen Geschmack hinunterwürgte.
»Merle? Was ist mit dir?«
Sie ignorierte ihn, wünschte, sie könnte sich in Luft auflösen, damit er diese erbärmliche Vorstellung nicht mitansehen musste. Mit der letzten Kraft, die sie noch aufbieten konnte, stand sie auf, ging zum Sofa und wandte das Gesicht ab. Ihr brannten schon wieder Tränen hinter den Lidern. Sie hatte seit Jahren nicht geheult, und jetzt schien sie das alles in den letzten Tagen nachzuholen.
»Vielleicht wäre es doch besser, wenn du zurück auf Björns Hof gehst«, murmelte sie, bevor sie endgültig der Mut verließ.
»Wie bitte?«
»Du sollst gehen. Es ist besser für uns beide.«
Jakob machte zwei wütende Schritte auf sie zu und baute sich vor ihr auf. »Ich laufe ganz sicher nicht allein zurück. Das kannst du vergessen! Warum willst du mich jetzt schon wieder unbedingt loswerden?«
Merle wich seinem Blick aus. »Weil ich glaube, dass es exakt das ist, was du am liebsten tun würdest. Ich brauche kein Mitleid.«
»Mitleid? Ich habe gerade gar kein Mitleid, ich bin sauer!« Jakob drehte sich um und fuhr sich mit den Händen durch die Haare, nur um wieder auf dem Absatz kehrtzumachen und auf sie zuzuschießen. »Merle, ich tröste dich, wenn du Alpträume hast. Es muss dir nicht peinlich sein, wenn ich miterlebe, was du gerade durchmachst. Ich bin gerne bei dir, jede Minute, die ich kann. Warum ist das für dich so schwer zu akzeptieren?«
»Weil es doch gar nicht möglich ist!«, rief Merle verzweifelt. »Wir kennen uns seit zwei Wochen!«
»Na und? Es gibt Leute, die heiraten, nachdem sie sich drei Tage kennen.«
»So was hält doch nicht!«
Jakob beugte sich hinab zu ihr, so dass sie auf Augenhöhe waren. Zornige Funken sprangen aus seinen Augen. »Das war vielleicht ein Scheißbeispiel. Du weißt genau, was ich meine: Ich muss mich für meine Gefühle nicht rechtfertigen! Ich kann dir sagen, wie es ist, und ich versuche, es dir zu zeigen. Aber eins werde ich ganz sicher nicht tun: wie ein liebeskranker Gockel hinter dir herlaufen.«
Er wandte sich ab und durchquerte mit schnellen Schritten den Raum. Viel zu schnellen Schritten. Jetzt war er schon kurz vor der Tür.
Merle zögerte. Sie war sicher, dass sie ihn, wenn er jetzt ging, niemals zurückgewinnen würde. »Warte!«
Sein Gang stockte. Dann machte er kehrt. Die Schritte zurück waren langsam, abwartend, einer nach dem anderen. Mit ablehnend vor der Brust verschränkten Armen kam er zurück und setzte sich in gebührendem Abstand neben sie. Als sie schwieg, hob er fragend die Augenbrauen.
»Ich bin nicht gut in solchen Dingen. Himmel, jetzt heule ich noch wie in einem billigen Film. Es nervt mich alles!« Sie stieß eilig die nächsten Worte aus: »Dabei kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als dass du bei mir bist. Bitte bleib.«
Jakob hatte inzwischen einen Arm auf die Sofalehne und die andere Hand locker in den Schoß gelegt. Er war klug genug, noch auf Abstand zu bleiben, wofür Merle ihm dankbar war. Beinah trotzig begegnete sie seinem Blick, während sie sich zornig die Tränen wegwischte. Das war ja nicht zu ertragen mit ihr! Aus Angst, kein vernünftiges Wort herauszubekommen, schwieg sie und betete stumm, dass das, was sie gerade gesagt hatte, Jakob genügte. Sie hatte noch nie gut über Gefühle sprechen können. Wenn es um Gefühle ging, war sie eine totale Versagerin. Verdammt, wenn er noch länger mit seiner Antwort wartete, würde sie ihre Worte zurücknehmen und ihn vor die Tür setzen. Jetzt, sofort und endgültig! Sie hielt den Atem an.
Endlich, endlich blitzten die vielen kleinen Fältchen um seine Augen auf wie kleine Sonnenstrahlen. »Dann akzeptier es bitte einfach so, wie es ist: Du hast mich vom ersten Moment an fasziniert. Du bist rational, aber du hast trotzdem Fantasie und kannst träumen. Du bist einfach …« Er machte eine vage Handbewegung und wurde ernst. »… anders. Wir haben beide unsere
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