So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig

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eine Waffe gegen sie.«
    »Sie hasst Äpfel. Vielleicht gibt es deshalb so viele Apfelbäume um den Verbotenen Garten herum.« Merle griff nach einem der drei Äpfel und hielt ihn Jakob vor die Nase. »Wieso also hängt sie die Mädchen an einen Baum mit Äpfeln?«
    »Das war sie doch gar nicht! Das muss Hans gewesen sein.«
    »Hans? Jetzt verstehe ich gar nichts mehr!«
    »Doch! Und das ist doch völlig logisch!« Jakob sprang auf und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. Er umrundete den Tisch und schnappte den Apfel aus Merles Hand. »Diese drei Äpfel sind unsere Waffe. Hans hat die Mädchen befreit – das hat Ronja kurz erwähnt – und sie dann an einen Ort gebracht, den Greta fürchtet: einen der Bäume, in dem sie eingesperrt war. Dort waren sie sicher, bis er dich holen konnte.«
    Merle blieb skeptisch. »Warum hat er die Mädchen nicht zum Dreherhof oder ins Dorf gebracht? Oder hierher?«
    Jakob beugte sich hinab. Merle sah die dunklen Funken in seinen Augen tanzen, bevor er ihr einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze hauchte. »Hierher? Hier ans Haus? Weil er dich liebt und dich nicht gefährden wollte, indem er Greta anlockt.« Sehr zu Merles Bedauern richtete er sich auf und setzte sich wieder ihr gegenüber an den Tisch. »Ob er zum Hof oder ins Dorf könnte, weiß ich nicht. Ich hätte es an seiner Stelle nicht gewagt. Der Weg ist weit, und drei verunsicherte Mädchen zu führen wäre nicht so leicht gewesen. Die Suchtrupps haben sicher nicht nur Greta, sondern auch Hans daran gehindert, sich wie üblich in seinem Revier zu bewegen. Vielleicht hatte er auch einen völlig anderen Plan und musste schnell handeln, weil ich aufgetaucht bin und versucht habe, die Mädchen zu befreien. Es war ihm sicherlich nicht wohl dabei, dich durch den Wald zu führen, während Greta sich hier herumtreibt.«
    »Mit einem Märchenexperten, der es ebenfalls mit einem verwunschenen Baum aufnehmen konnte, hat er sicherlich nicht gerechnet.«
    »Tja.« Jakob grinste. »Ich hätte auch nicht erwartet, dass ich dieses trockene universitäre Wissen einmal so praktisch anwenden könnte.« Er wurde wieder ernst. »Offensichtlich war es wichtig, dass du mindestens einen der Äpfel fängst. Ich weiß ja nicht, seit wann ihr beiden am Waldrand gestanden habt, aber das war ganz schon knapp.«
    Mit einem erschöpften Nicken stimmte Merle ihm zu und unterdrückte ein Gähnen. »Dann haben wir also die Waffen. Aber was machen wir damit? Vergiften scheidet aus. Wir haben kein Gift, und Greta würde den Apfel kein zweites Mal essen. So blöd ist sie nicht.«
    Statt einer Antwort hielt Jakob die Frucht näher an das Licht der Öllampe auf dem Tisch. »Der Apfel ist das Planetensymbol der Erde. Ein Zeichen der Macht von Königen. Die Frucht der Erkenntnis. Märchen mit Äpfeln gibt es zur Genüge.« Er sah auf. »Fällt dir dazu etwas ein?«
    »Nicht wirklich.«
    »Verdammt.« Jakob sah aus, als wolle er den Apfel durch den Raum schleudern, besann sich aber eines Besseren und legte ihn wieder zu den anderen. »Hans will dir etwas sagen. Er hatte jahrhundertelang Zeit, sich eine Strategie zurechtzulegen. Zeit, die wir nicht haben, und ich habe mit meiner Recherche kaum angefangen. Im Kloster zu Thierenbach habe ich nur herausgefunden, dass das Dokument gefälscht ist. Das hat ziemlich sicher kein Mönch geschrieben. Die Spur ist kalt. Wenn man das Original hätte, könnte man …«
    »Das Original ist hier im Haus.«
    »Wie bitte?«
    Merle nickte in Richtung des kleinen Beistelltisches neben der Couch. »Es liegt da drüben. Zusammen mit dem Original-Lebkuchen-Rezept. Hans könnte es selbst geschrieben haben. Oder sein Sohn Johann. Johann konnte schreiben. Jemand, der die Geschichte noch aus erster Hand wusste und wollte, dass sie für die Nachwelt erhalten bleibt. Ich habe beides in einem Versteck gefunden, das Hans mir gezeigt hat.«
    Merle lächelte still, als sie das begierige Aufleuchten in Jakobs Augen sah. Der Jäger, der eine gute Beute witterte, stürzte an ihr vorbei und riss das Dokument an sich. »Das hat Jahrhunderte hier gelegen? Wahnsinn! Dieses Haus ist fantastisch.«
    »Ich habe doch gleich gesagt, dass ihr einander mögen werdet, das Haus und du.« Merle rutschte auf der Bank ein wenig nach hinten, damit sie sich gegen die Wand lehnen konnte, doch Jakob hörte ihr ganz offensichtlich gar nicht mehr zu. Dieses Mal ließ sie ihn gewähren, damit er seinen wissenschaftlichen Ambitionen nachgeben konnte. Es war