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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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schön, ihn dabei zu beobachten, wie er ganz in seinem Forscherglück schwelgte. Für einen Moment stellte sie sich vor, wie einfach es sein würde, mit ihm über die vertrauten Wege rund um Steinberg zu wandern und ihre Erinnerungen mit ihm zu teilen.
    Doch zuvor mussten sie Greta endgültig besiegen. Nur wie? Der Antwort auf diese Frage waren sie noch immer nicht näher gekommen. Sie selbst war immer noch der Meinung, dass Greta ins Haus musste.
    Diese Trude-Druidin hatte sie ins Haus geholt, um sie zu verbrennen, und Hans hatte ihren Plan wider besseres Wissen vereitelt. Wenn er sich doch nur ein paar Minuten später aus seinem Verschlag befreit hätte! Dann säße sie nicht hier, weil es sie gar nicht gäbe. Müßiger Gedanke.
    Merle war sicher, dass es nicht in Gretas Macht lag, das Haus zu betreten. In Gedanken ging sie Hans’ Aufzeichnungen durch: Greta hatte sich nach dem Tod der Trude nicht weit vom Haus entfernen können. Das änderte sich erst mit Johanns Geburt. Vielleicht war sie danach gar nicht geflohen, sondern vertrieben worden. Sie war mit dem Tod der Trude an das Haus gebunden worden, so wie ein Dschinn an seine Wunderlampe. Da das Haus, also das Gefäß, dieses gefährliche Wesen aber auf Dauer nicht beherbergen wollte, hat es dafür gesorgt, dass ein Teil von ihm blieb. Über die Jahrhunderte und mit jeder Generation wurde die Bindung schwächer.
    Ja, so musste es gewesen sein. Das war auch das, was Omi herausgefunden haben musste, mit dieser Liste und dem ganzen Ahnenzeug in dem Koffer da oben auf dem Speicher. Das war das, was sie Merle und ihrem Vater hatte mitteilen wollen.
    Leider lieferten diese ganzen Erkenntnisse immer noch keine Antwort darauf, wie man den Bann brach und Greta ins Haus schaffte oder außerhalb des Hauses besiegte.
    Merle ließ ihren Kopf mit einem Seufzen auf die Tischplatte sinken, dann richtete sie sich wieder auf und gähnte laut. Inzwischen war es weit nach Mitternacht. Sie war zu müde. So kamen sie nicht weiter.
    Jakob schaute endlich von seinen Papierschätzen auf und nickte bedauernd. »Willst du schlafen?«
    Gemeinsam gingen sie die Treppe hinauf und legten sich in Merles Zimmer ins Bett. Friedliche Stille erfüllte den Raum, als sie sich eng aneinanderkuschelten. Merle spürte, wie nahe ihr Jakob war, mit ihr verbunden war, und das auf eine magische Art und Weise, die weit über das Körperliche hinausging. Er hatte das Häuschen gefunden, ohne dass ihn jemand aus der Familie zu ihm geführt hatte. Es mochte auf der Hut gewesen sein, aber es hatte erkannt, dass Gutes in ihm steckte.
    So hüllte es sie nun beide mit seiner freundlichen Dunkelheit ein und bewahrte sie für diese Nacht vor allem Bösen.
    *
    Mitten in der Nacht wachte Merle auf. Sie hatte nicht geträumt, und da Jakob ruhig weiterschlief, hatte sie offenbar auch nicht geschrien. Aber die Unruhe nach dem Aufwachen war die gleiche wie in den Nächten ihrer Alpträume. Sie legte eine Hand auf die Brust, als ließe sich so ihr schnell klopfendes Herz beruhigen, und wischte sich mit der anderen den dünnen Schweißfilm vom Gesicht.
    Irgendetwas hatte sich im Haus verändert.
    Ganz leise, um Jakob nicht zu wecken, stand sie auf, angelte nach ihren Schuhen, zog sich einen Pulli über den Schlafanzug und schlich die Treppe hinunter. Einen Moment lang fiel es ihr schwer, sich zu orientieren. Alles lag still und düster, doch sie sah genug und erkannte, dass die Möbel alle anders standen. Einen Meter vor der Haustür ging nicht nur links eine Tür in die Stube, sondern auch eine nach rechts in die Scheune. So wie zu Hans’ Lebzeiten, als dort noch ein Stall war.
    Merle betrat die Stube. Die Küche war verschwunden, ebenso die Couch. Sie erkannte den Schaukelstuhl und den Tisch, auf dem immer noch die drei Äpfel lagen. Darum standen die beiden Bänke und weiter hinten das Bücherregal, in dem sich jedoch keine Bücher, sondern Geschirr, Kerzen und andere Dinge befanden, die sie in der Dunkelheit nicht genauer erkennen konnte. Omis alte Aussteuertruhe stand links von der Esse, ein Spinnrad gebrauchsbereit in einer Ecke. Es sah ganz so aus, wie sie es aus dem Freilichtmuseum kannte. Eine typische Bauernstube im siebzehnten Jahrhundert.
    In der Esse glomm etwas Glut. Merle betrachtete den kleinen Haufen Holz, der daneben aufgestapelt war. Sollten sie es tatsächlich schaffen, Greta in die Esse zu verfrachten, war das viel zu wenig. Sie musste mehr Holz heranschaffen. Eilig lief sie durch den Flur und

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