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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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ein unnatürliches Wesen ausrichten?
    Es klopfte an der Tür.
    Merle keuchte unwillkürlich auf, während ihr Puls zu rasen begann. Sie umklammerte den Schürhaken ganz fest mit beiden Händen. »Wer ist da?«
    »Polizeikommissar Sturm. Ich suche jemanden von der Familie Hänssler.«
    Schlagartig ebbte ihre Panik ab. So sanft wie möglich, damit der Schürhaken nicht auf den Fliesen klapperte, legte sie ihn ab und öffnete die Haustür. Vor ihr stand ein junger Mann, der verlegen seine Mütze in den Händen drehte. In seinen blonden Haaren und auf der Stirn klebten Dreck und Spinnweben, die blaue Uniformjacke auf den breiten Schultern war schmutzig.
    »Ich bin Merle Hänssler. Was haben Sie denn angestellt?« Komische Frage an einen Polizisten, wie ihr zu spät auffiel.
    »Ja, ach das.« Er lächelte und wischte mit einer Hand über die Schulter, was nur zur Folge hatte, dass er den Schmutz noch mehr verteilte. Es waren braungraue harzige Holzkrümel, wie Merle jetzt erkannte. »Es tut mir sehr leid, aber kleine Sünden straft der liebe Gott bekanntlich sofort. Ich war in Ihrer Scheune.«
    »Möchten Sie nicht reinkommen und sich sauber machen?« Sein Eintreten war ihr nicht recht, aber die Frage ein Gebot der Höflichkeit.
    Der junge Mann zögerte, nickte und trat dann einen Schritt vor, um sich prompt am Türsturz zu stoßen und wieder zurückzuspringen. Er fluchte unterdrückt. »Besser doch nicht«, erklärte er zähneknirschend und rieb sich die Stirn, womit er sich weitere dunkle Drecksstriemen auf die Haut schmierte. »Ich habe heute die Pest am Hals. Wer weiß, was ich Ihnen alles kaputt mache. Aber können Sie kurz mit in die Scheune kommen? Ich muss Ihnen zeigen, was ich angerichtet habe.«
    Eigentlich wollte Merle nicht. Aber ein flüchtiger Blick auf die Lichtung und den Polizisten zeigte ihr, dass keine unmittelbare Gefahr drohte. Die Katzen waren entspannt. Jorinde hüpfte durch das Gras und jagte Insekten, während Zora sich auf den sonnenbeschienen Steinen räkelte. Sie wies ihren Begleiter mit einer Handbewegung an, vorzugehen, und folgte ihm zur Scheune.
    »Wissen Sie, ich wollte mich hier noch einmal umsehen. Die Sache lässt mir natürlich keine Ruhe. Ich dachte, das Haus stünde leer, daher habe ich mir keine Gedanken gemacht, ob jemand hier ist. Erst als ich das Holz geräumt habe, fiel mir ein, dass ich das besser vorher überprüfen sollte. Polizist zu sein gibt mir nicht das Recht, hier herumzuschnüffeln. Nicht sehr professionell, schon klar.«
    »Was meinen Sie mit: Sie haben das Holz geräumt?«
    »Sehen Sie!« Sie blieben an der Scheunentür stehen, und er deutete auf einen der Holzstapel, der umgekippt und als wilder Haufen auf dem gesamten Boden verteilt war. »Ich habe keine Ahnung, wie ich das angestellt habe. Beinahe hätte es mich sogar erwischt, dann könnten Sie mich jetzt unter den Scheiten heraussortieren.«
    Merle kicherte wider Willen, größtenteils vor Erleichterung. Da malte sie sich die schrecklichsten Horrorgeschichten von wandelnden Kinderfressern aus, und dabei streunte nur ein übermotivierter Jungbulle über das Gelände. »Schon gut, nicht schlimm. Wir werden die Ursache nicht mehr herausfinden. Es kann falsch gestapelt gewesen sein. Hauptsache, Ihnen ist nichts passiert.«
    Der junge Polizist verzog unsicher die Mundwinkel. Es sollte wohl ein Lächeln sein, das seine Augen nicht erreichte. Merle sah ihn scharf an. »Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen? Haben Sie sich verletzt?«
    »Nein, alles bestens. Es ist nur … ich hatte gehofft, dieser Sache mit dem Lebkuchen nachgehen zu können.« Er zögerte und holte dann Luft. Dabei wich er Merles Blick aus. »Ich bin hier aus dem Dorf, arbeite aber eigentlich nördlich von Lörrach. Ich kannte Ihre Großmutter. Ich habe sie als kleiner Junge sehr verehrt. Und Sie auch, Merle. Weil Sie doch hier leben durften. Sie können sich wahrscheinlich nicht mehr an mich erinnern. Ich gehörte zu den Kindern, die Ihnen und Björn Dreher häufig hinterhergelaufen sind – und Sie vermutlich gehörig genervt haben.«
    Einige Sekunden musterte Merle die Züge des Mannes, dann erkannte sie ihn. »Felix! Du bist der kleine Bruder von Susanne, ja sicher.« Sie lächelte und wechselte ins Du. Uniform oder nicht, sie teilten die gleiche Herkunft.
    Felix erhob keinen Protest, sondern wirkte eher erleichtert.
    Merle lächelte breit. »Viel weiß ich nicht, aber ich zeige dir das Versteck, in dem meine Großmutter den Lebkuchen

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