So frei wie der Himmel
selbst wenn, Ayanna hätte niemals erlaubt, dass ihre Kinder allein in dem alten Haus lebten. Dir wird Phoenix gefallen, hatte sie geschrieben.
"Es tut mir leid, Mitch", sagte sie jetzt. Natürlich hätte Ayanna die beiden Geschwister nie und nimmer hier wohnen lassen. Zumal sie das bisschen Geld für die Miete bitter nötig hatte. Aber sie hätte freundlicher auf seinen verzweifelten Brief antworten können.
"Was?", fragte er.
"Alles."
"War nicht dein Fehler", sagte Mitch. "Der Unfall, meine ich."
Ich hätte zurückkommen und als Bedienung im Roadhouse oder Lucky's arbeiten können. Ich hätte Ayanna Miete zahlen können und wahrscheinlich sogar etwas fi nanzielle Unterstützung vom Staat bekommen, um meinen kleinen Bruder großzuziehen. Wenn ich es nur versucht hätte ...
"Hier wäre der Unfall nicht passiert."
"Wer weiß", murmelte er. "Vielleicht war es Schicksal - vielleicht wäre ich so oder so im Rollstuhl gelandet."
Wegen all der Bilder, die immer irgendwo in ihrem Unterbewusstsein lauerten, schloss Cheyenne die Augen: Mitch, sechzehn und übermütig, wie er in der Wüste mit seinen Freunden auf einem Four-Wheeler ein Rennen fuhr. Der Unfall und die schlimme Verletzung des Rückgrats. Wie sie nach dem panischen Anruf ihrer Mutter ins Krankenhaus gerast war, das lange Warten in der Notaufnahme, als niemand ihnen sagen konnte, ob er überleben würde.
Die Operationen.
Die langsame, qualvolle Genesung.
In der Zeit hatte Cheyenne gerade angefangen, sich bei Meerland einen Namen zu machen. Ständig war sie zwischen San Diego und Phoenix hin und her gefahren, bewaffnet mit Laptop und Handy. Sie arbeitete hart, um Nigel zu beweisen, dass sie es schaffen konnte.
Und sie schaffte es. Regelmäßig löste sie ihre erschöpfte Mutter am Krankenbett ab. Pete, Ehemann Nummer zwei und Mitchs Vater, machte sich aus dem Staub, als er kapierte, dass er sich ein einziges Mal wie ein verantwortungsvoller Erwachsener benehmen sollte. Im Krankenhaus freundete sie sich mit einem von Mitchs Chirurgen an und überredete ihn, bei Meerland zu investieren. Und als er kurz darauf erhebliche Gewinne einstrich, brachte er eine Menge Kollegen mit an Bord. Mitchs Zustand besserte sich allmählich. Nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte, ging Cheyenne zurück nach San Diego und stürzte sich dort mit all ihrer Energie in die Arbeit.
"Meinst du, wir könnten uns einen Hund anschaffen?"
Cheyenne blinzelte. "Einen Hund?"
Mitch lächelte, und das kam so selten vor, dass ihr Herz höher schlug. "In unserer Wohnung ging das nicht", erklärte er.
"Aber ihr werdet zurückgehen
"Ich gehe nie mehr zurück", verkündete er voller Überzeugung.
"Warum sagst du so was? "
"Hier müssen wir keine Miete zahlen. Außerdem redet Mom davon, wieder mit dem Malen anzufangen, sich eine Arbeit als Bedienung zu suchen oder Souvenirs zu verkaufen. Wahrscheinlich lernt sie bald irgendeinen Versager kennen und wird dann alles tun, um ihn vor sich selbst zu retten."
Obwohl Ayanna eine kluge Frau war, stolperte sie in ihrem Liebesleben von einer Katastrophe in die nächste. Aber zumindest hatte sie nach Pete nicht noch einmal geheiratet.
In Cheyennes Augen brannten Tränen. Sie war froh, dass der Computer den Raum nur unzureichend erhellte.
"Ich wünschte", begann Mitch, als Cheyenne nichts sagte, nichts sagen konnte, doch dann brach er ab.
"Was, Mitch?", fragte sie nach einer Welle. "Was wünscht du dir?"
"Ich wünschte, ich könnte mir einen Job suchen, eine Freundin haben ... ich wünschte, ich könnte ein Pferd reiten."
Cheyenne wusste nicht, was sie antworten sollte. Es gab nicht viele Jobs in Indian Rock, schon gar nicht für einen Behinderten. Und Mädchen ins Mitchs Alter gingen entweder zur Arbeit oder aufs College und verabredeten sich mit Jungs, mit denen sie etwas unternehmen konnten. Und reiten? Das war nur etwas für Menschen mit zwei gesunden Beinen und mehr Mut als Verstand.
"Könntest du dir nicht etwas anderes wünschen?", fragte sie leise.
Da lächelte Mitch traurig, wandte sich wieder ab und spielte weiter am Computer. Ein paar Minuten blieb Cheyenne noch hilflos auf dem Bett sitzen. Dann stand sie auf, legte kurz die Hand auf seine Schulter und verließ das Zimmer.
Die Schweinwerfer von Jesses Truck glitten über das alte hölzerne Schulgebäude, das Jeb McKettrick für seine Braut Chloe, eine Lehrerin, gebaut hatte. Jesses Schwestern hatten das Häuschen als privaten Spielplatz genutzt, und Jesse, zehn Jahre
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