So frei wie der Himmel
jünger als sie, verwandelte es zu seiner Zeit in ein Fort. Inzwischen diente es seinen Eltern als Büro, wenn sie die Ranch besuchten, was allerdings selten vorkam.
Er parkte neben dem Stall, ging hinein und schaute nach den Pferden. Sie waren morgens gefüttert und bewegt worden, doch er füllte trotzdem noch etwas getrocknetes Bermudagras in ihre Tröge, als Wiedergutmachung, weil er so lange weg gewesen war.
Für jedes einzelne Tier nahm er sich Zeit und striegelte es. Danach blieb ihm nichts mehr zu tun, als in das leere Haus zu gehen.
Ein großes Haus. Generationen von McKettricks hatten hier und dort angebaut, mal ein Zimmer, mal ein ganzes Stockwerk. Seit seine Eltern die meiste Zeit in Palm Beach lebten, wo sie Golf spielten und Feste feierten, und seine Schwestern Victoria und Sarah mit ihren reichen Männern um die Welt reisten, war Jesse der inoffizielle Eigentümer des Hauses.
Er trat durch die Küchentür ein und knipste das Licht an.
In dem Haus, das seinen Cousinen Meg und Sierra gehörte, spukte es angeblich. Jesse wünschte oft, es wäre hier ebenso, dann würde er sich zumindest nicht so einsam fühlen. Er ging zu dem begehbaren Kühlschrank, nahm eine Flasche Bier heraus und ließ den Verschluss aufschnappen. Eigentlich sollte er sich einen Hund anschaffen, doch dafür war er zu selten zu Hause. Es wäre unfair, einer armen unschuldigen Kreatur ein einsames Leben aufzuzwingen, nur damit ihn jemand freudig begrüßte, wenn er nach Hause kam.
"Du drehst langsam durch, McKettrick", sagte er laut.
Er dachte an Cheyenne - er dachte die ganze Zeit an sie, seit sie sich auf dem Parkplatz verabschiedet hatten. An ihre langen Beine, die ausdrucksvollen Augen und die vollen Lippen. Sie war wirklich hübsch. Und intelligent.
Das Telefon klingelte. Verärgert stellte er sein Bier ab und griff nach dem Hörer. "Yo", sagte er. "Hier spricht Jesse."
"Selber yo", entgegnete Sierra. Sie wollte in knapp einem Monat Travis Reid, einen seiner besten Freunde, heiraten. Die beiden wünschten sich Jesse als Trauzeugen. Früher hatte er sich öfter gewünscht, nicht mit ihr verwandt zu sein, um sie - zumindest in seiner Fantasie Travis auszuspannen.
"Was gibt's?", fragte er.
"Wir feiern eine Vorhochzeits-Party", sagte Sierra. "Samstagabend. Livemusik. Barbecue. Fahrt auf dem Heuwagen. Das volle Programm. Du bist eingeladen. Bring jemanden mit."
Samstag habe ich ein wichtiges Turnier. Im Cliffcastle-Kasino. Kein Limit und jede Menge Touristen, die glauben, das Spiel zu beherrschen, nur weil sie die World Poker Tour im Fernsehen verfolgen."
"Komm schon, Jesse. Du verbringst sowieso zu viel Zeit am Spieltisch. Und zwing mich nicht, dir ein schlechtes Gewissen zu machen. Nach dem Motto: Du bist der Trauzeuge und somit verpflichtet, am Samstag zu kommen. "
"Dazu würde ich dich niemals zwingen", entgegnete Jesse trocken und trank einen großen Schluck Bier. "Leider hast du es schon getan."
Sie lachte. "Könnte schlimmer sein. Liam rechnet fest damit, dich zu sehen. Meg fliegt extra aus San Antonio hierher, und Rance und Keegan haben ihre Termine so gelegt, dass sie auch kommen können. Es wäre natürlich reichlich plump von mir zu betonen, dass ihre Termine sicher wichtiger sind als ein Pokerturnier. Deshalb tue ich es nicht."
Jesse seufzte. "Okay", sagte er. "Aber dafür schuldest du mir etwas."
"Was denn?"
"Schick mir eins eurer Gespenster rüber, okay? Es ist viel zu still hier."
Kapitel 3
Am nächsten Morgen erschien Cheyenne um punkt neun Uhr auf der Ranch. Jesse hatte alle Pferde bis auf zwei zum Grasen auf die Koppel gebracht und danach seinen schwarz-weißen Wallach Minotaur gesattelt. Jetzt kümmerte er sich gerade um Pardner.
Er zog den Gurt fester um den Bauch des Pferdes und schüttelte den Kopf, als Cheyenne aus dem Auto stieg. Sie trug einen taillierten beigefarbenen Hosenanzug und hohe Schuhe mit geschmackvollen Messingschnallen. Ihr Haar hatte sie wie am Tag zuvor geschäftsmäßig hochgesteckt - schlief sie etwa mit dieser Frisur? Kurz überlegte er, wie sich ihre Haarsträhnen wohl zwischen seinen Fingern anfühlen würden.
Tapfer lächelnd stöckelte sie über den zerfurchten Boden auf ihn zu, beäugte misstrauisch die Pferde und schaute hastig wieder weg. "Was für ein schöner Moren", sagte sie.
Statt zu antworten, nickte Jesse halb, tippte gegen seinen Hut und ärgerte sich sofort darüber. So viel zum Thema Tells. Da hätte er auch gleich ein Plakat aufhängen können mit
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