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So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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denn … Arnon kommt auch.«
    »Arnon ist beim Reservedienst«, erinnerte sie Jo’ela, »und auch wenn er nicht dort wäre, müßte er nicht mitkommen, und selbst wenn er das täte, gäbe es keinen Grund, daß er das, was er nicht bereit ist, für seine Eltern zu tun, für meinen Vater tun sollte, er wird den Kaddisch nicht sagen, und das weißt du auch.«
    »Dann bestellen wir einen Chasan«, sagte ihre Mutter entschieden, als sei damit auch schon alles weitere klar.
    »Nicht diese Woche«, sagte Jo’ela leise.
    »Wie du willst.«
    »Ich bin diese Woche im Druck«, entschuldigte sich Jo’ela aus einem plötzlichen Anfall von schlechtem Gewissen heraus. »Vielleicht nächste Woche oder übernächste.« Sie griff sich an den Hals und drückte mit dem Daumen fest zu, denn schon in diesem Moment war ihr klar, daß sie auch dieses Jahr nicht wagen würde, sich der Zeremonie zu entziehen. Jedes Jahr seit dem Tod ihres Vaters überlegte sie, wie sie es ihrer Mutter beibringen konnte, daß sie nicht wollte. Und jedesmal war es wieder dasselbe Bild: Sie und ihre Mutter, die allein aus einem Auto steigen, sie schnell, in der einen Hand den Strauß Gerbera, den ihre Mutter am Tag zuvor gekauft hat, mit der anderen die Tüte mit dem neuen Kaktus vom Rücksitz zerrend, die Mutter langsam und vorsichtig, die schwarze Handtasche unter den Arm geklemmt und in beiden Händen eine Tüte mit einer alten, krummen Gabel und einem leeren Glas, in dem einmal Erdbeermarmelade gewesen war, dazu einem größeren Gefäß, einem früheren Gurkenglas, das für die Gerbera bestimmt ist, und einem neuen gelben Staubtuch. Jedes Jahr machen sie diesen langen Weg durch den Friedhof, der sich vor ihnen erstreckt, vorbei an Blumenverkäufern vor dem Eingang und vorbei an den Bettlern am Tor, und nie bleiben sie an dem Kiosk stehen, in dem belegte Brote, Süßigkeiten und Getränke verkauft werden, nicht einmal in dem Jahr, als sie die Mädchen mitgenommen hat, ihre Mutter hat Ne’ama und Ja’ara nur erlaubt, einen Strauß Nelken zu kaufen. Mitten auf der Strecke bleibt ihre Mutter stehen, immer an derselben Stelle, an dem schwarzen Gedenkstein für die Toten von Majdanek, setzt die Tüte ab, wühlt in ihrer schwarzen Tasche und zieht einen gelben, zusammengefalteten Zettel heraus, breitet ihn behutsam aus und liest laut die Nummer des Friedhofsblocks und der Parzelle vor, dann geht sie langsam weiter in der Hitze – es ist immer heiß und drückend um diese Zeit –, bis sie den richtigen Block und die richtige Parzelle gefunden hat, die jedesmal anders aussieht, denn es gibt immer mehr Grabsteine, und die Rosenhecke links neben dem Grabstein – rechts ist ein freier Platz, bezahlt und bereit – wird jedes Jahr höher und dichter und verbirgt fast die schwarzen Marmorflügel zweier Statuen, der »Abstrakten«, dazwischen das Porträt des Gefallenen, und jedesmal klagt ihre Mutter, manche Menschen kämen öfter als einmal im Jahr, und wenn sie könnte, würde sie auch öfter kommen, an seinem Geburtstag, am Hochzeitstag, und jedesmal weist Jo’ela sie darauf hin, daß sie sie immer herfahren könne, wann sie es nur wünsche, und jedesmal antwortet ihre Mutter, nicht ohne Bitterkeit: »Du hast zuviel zu tun«, und dann stehen sie beide vor dem einfachen weißen Marmorstein, auf dem der Name ihres Vaters steht, das Datum seiner Geburt und seines Todes, daneben, auf Initiative der Mutter, auch »aus Lwow«, und Jo’ela ist jedes Jahr verwirrt wegen dieser Betonung seines Geburtsortes und würde am liebsten diese Betonung der Herkunft zerstören, die so lächerlich ist wie die Lobeshymnen auf Trauerkarten, doch zugleich ist sie sich gram wegen dieser Scham, ihre Mutter hat so wenig Grund zur Freude, man muß ihr verzeihen, auch wenn ihre Bedürfnisse gegen den guten Geschmack verstoßen, und vielleicht ist das der Grund, daß sie, wenn ihre Mutter sie zögernd fragt, ob sie vielleicht zum Wasserhahn gehen könnte, sofort losrennt, taub gegen die Warnung vor den Dornen, zwischen den Gräbern hindurch zum Wasserhahn eilt, mehrmals, Wasser holt, die leeren Gläser füllt und ihrer Mutter zuschaut, die Wasser über den Marmor gießt und ihn mit dem gelben Tuch sauberreibt, Erdbröckchen von den Kakteen kratzt und sie dann vorsichtig und sparsam begießt, mit der Gabel in den Töpfen herumstochert, einige Kakteen sehen ausgetrocknet aus, andere sehr lebendig, und jedes Jahr eine Pflanze herausnimmt und statt dessen die neue einsetzt, und am Schluß

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