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So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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verlegen. »Was sagst du zum Uranfangs-Channeling? Dazu, daß ich mal ein junger Grieche oder Ägypter war, der Geliebte des Kaisers.«
    »Was soll ich dazu sagen? Für zweihundert Schekel hättest du …«
    »Man kann es nicht vorher wissen«, erklärte Hila. »Man muß es einfach riskieren. Na gut, dann sind eben zweihundert Schekel im Eimer, was kann man machen, ein Sühneopfer.« Sie hob das Glas hinüber zu dem Bild des alten Mannes und seufzte tief. »Aber jede Sache hat auch ihr Gutes.«
    »Du glaubst doch nicht etwa dieser Frau mit dem Mais?« fragte Jo’ela erschrocken.
    »Ist doch egal, ob ich ihr glaube oder nicht, jedenfalls wären wir ohne sie jetzt nicht hier.«
    »Ha, wie wichtig!« spottete Jo’ela und stieß ein Lachen aus, das sie für Momente wie diese reserviert hatte, wenn sie mit einem einzigen Ton eine Weltanschauung ausdrücken wollte. Sie blickte hinüber zu dem Mann, der mit flinken Fingern von einem Kupfertablett gefüllte Gemüse nahm und sie auf zwei große Teller verteilte.
    »Wunderbar«, rief Hila. »Und sogar noch Kartoffeln! Ausgezeichnet! Haben Sie das selbst gekocht?« Ihre Stimme klang laut und herausfordernd in dem kleinen Raum.
    »Nein, meine Mutter«, bekannte der Mann stolz. »Da ist sie.«
    In der schmalen Öffnung, vor dem Vorhang aus Holzperlen, stand eine große Frau mit einem geblümten Kopftuch und blickte sie an. Ihr Gesicht war schmal und verwelkt, mit eingefallenen Wangen, und an ihren Ohrläppchen baumelten große, birnenförmige Ohrringe.
    Hila winkte mit der Gabel. »Es schmeckt ausgezeichnet«, rief sie.
    »Guten Appetit.« Die Frau lächelte.
    »Sie kochen alleine? Alles?« erkundigte sich Hila.
    »Was soll ich machen«, meinte die Frau verlegen. Ihre schweren goldenen Ohrringe klimperten, als sie den Kopf senkte. »Wer soll denn sonst kochen?« fügte sie hinzu und verschwand wieder hinter dem Holzperlenvorhang. Auch der Mann verschwand, aber nicht, bevor er gesehen hatte, wie Hila einen Bissen probiert und einen Ton des Behagens ausgestoßen hatte. Wieder erklärte sie, wie wunderbar alles schmecke, bat um eine weitere Portion Gurkensalat und legte mit einer aufmerksamen Bewegung eine gefüllte Zwiebel mitten auf Jo’elas Teller.
    »Vermutlich schmeckt das sehr gut, aber ich habe überhaupt keinen Appetit«, klagte Jo’ela, nachdem sie die Füllung aus Reis und Fleisch probiert hatte.
    »Es ist wegen des jungen Mädchens«, sagte Hila, »und dem, was sie repräsentiert.«
    »Was soll sie schon repräsentieren?« fragte Jo’ela in schnaubendem Ton. »Außer vielleicht …«
    »Vielleicht was?« beharrte Hila.
    »Ach, nichts«, sagte Jo’ela.
    »Was nichts?«
    »Ich will nicht darüber sprechen, es ist nichts.« Es fiel Jo’ela schwer, sich zusammenzunehmen, sie behielt sogar das Wasser eine Weile im Mund, bevor sie es mühsam schluckte.
    Hila wedelte mit dem Messer. »Nun, du wolltest doch, daß sie zu dir kommt, damit du sie untersuchen kannst. Du wolltest, daß sie in deinen Händen ist und nicht in denen ihrer Eltern.«
    »Aber warum?« fragte Jo’ela und umklammerte ihre kalten Hände, betrachtete die feinen Flaumhärchen auf ihrem Armrücken, die sich aufrichteten, als ihr ein Schauer über den Rücken lief. »Ich kenne sie überhaupt nicht.«
    »Weil«, sagte Hila und schluckte den letzten Bissen der gefüllten Zwiebel, »weil du sie vor dem schrecklichen Leben retten wolltest, das sie erwartet, mit dem Versteckspiel und dem Betrug. Das ist es, was du gewollt hast.«
    »Habe ich das gewollt?«
    »Vielleicht stehe ich dir zu nahe, um das alles wirklich zu verstehen, aber es ist mir nicht egal, es reicht mir, daß du es gewollt hast, daß du es willst, wenn sie dir nur zu etwas nützt.«
    »Zu was denn?« fragte Jo’ela erschrocken. Vor ihren Augen, über dem Teller mit den Resten des Essens, erschien plötzlich das Gesicht des Mädchens und über schwarzer Wolle ein Streifen weißes Fleisch, das kühl aussah. Wie ein Blitz durchfuhr sie die Erkenntnis, wortlos, daß sie, wenn sie es schaffte, mit dem Mädchen allein zu sein, wenn sie ihr gegenüberstünde, sie anfaßte, nur einen Moment lang, ohne zu sprechen, nur mit einer Handbewegung, ihr klarmachen konnte, ohne Worte, nur durch ihre Berührung, was sie tun, wie sie sich verhalten sollte – und in diesem Moment würde das Mädchen verstehen, daß sie nicht vor ihr davonlaufen mußte, sondern vor den anderen, sie würde es von selbst verstehen, ohne Worte. Doch im nächsten Moment hatte sich die

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