Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
Vom Netzwerk:
den Papieren abschrieb. Dann faltete er sie sorgfältig wieder zusammen, steckte sie in die weiße Plastikhülle zurück und schüttelte den Kopf. »Sie werden so nicht fahren können, Ihr linker Kotflügel scheuert am Reifen. Sie haben innerhalb von ein paar Minuten einen Platten, wenn Sie so fahren. Man muß den Kotflügel vom Reifen wegkriegen.«
    Jo’ela sagte nichts. Erst jetzt stieg sie aus dem Auto. Das Geräusch des scheppernden Blechs klang ihr noch immer in den Ohren. Ihre Beine fühlten sich wacklig an, und in ihrem Bauch war ein dicker Knoten. »Was für ein Glück, daß nichts Schlimmeres passiert ist«, sagte sie mit der Stimme ihrer Mutter.
    »Ja.« Der Mann nickte. »Und was für ein Glück, daß ich ein kultivierter Mann bin.«
    Jo’ela blickte ihn forschend an, entdeckte aber kein Zeichen von Ironie.
    »Sie können wirklich so nicht fahren.« Er beugte sich über den eingedrückten Kotflügel und versuchte, ihn vom Reifen wegzuzerren. »Ohne Werkzeug geht das nicht«, sagte er schließlich entschuldigend. »Und meines ist im Wagen meiner Frau.«
    Das Auto war ein Saab, ein Modell, wie sie es schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er hatte lange Beine, zu lang für einen etwas kurzen Rumpf. Seine Schultern waren ziemlich breit, und unter seinen zu kurzen Hosenbeinen lugten braune Strümpfe hervor. Sie konnte sich die Frau nicht vorstellen, die den Wagen fuhr, in dem sich sein Werkzeug befand. Männer mit ergrauenden Haaren können mit jungen, großgewachsenen Frauen verheiratet sein, die den Zweitwagen fahren, den neuen, in dem dann auch das Werkzeug ist, falls was passiert.
    »Vielleicht haben Sie einen Hammer oder eine Zange im Kofferraum?
    »Ich habe kein Werkzeug. Nur einen Schlüssel für die Schrauben an den Rädern«, sagte sie voller Panik.
    »Man kann eigentlich nur noch mehr kaputtmachen«, meinte er. »Wir sollten es lieber so lassen, wie es ist.«
    Aus irgendeinem Grund beugte sie sich vor und drehte den Zündschlüssel halb um. Aus dem Radio kam die gepflegte Stimme eines Sprechers, der auf amüsante Art aus dem Leben Robert Schumanns erzählte, und ein Gastpianist überstürzte sich fast bei dem Versuch, etwas über die verschiedenen Interpretationen der Kinderszenen zu erklären. Die Stimmen waren arrogant und weich, und Jo’ela beugte sich durch das Fenster, um den Sender genauer einzustellen. Der Gärtner stand noch immer in sicherer Entfernung, auf seinen Spaten gestützt, und beobachtete die Szene. Der Mann warf einen Blick auf den Gärtner, dann wandte er sich wieder ihr zu. Während der ganzen Zeit kam kein Auto vorbei. Und niemand betrat den Parkplatz. Die Uhr zeigte Jo’ela, daß erst eine Viertelstunde vergangen war. Sie bedauerte, nicht in der Klinik geblieben zu sein. Sie hätte bleiben müssen, trotz ihrer Kopfschmerzen und obwohl der erwartete Kaiserschnitt sich in letzter Minute doch noch zu einer normalen Entbindung entwickelt hatte. Wäre sie wenigstens im Labor geblieben und hätte gewartet, bis die Laborantin frei geworden  wäre … Aber ganz plötzlich war ihr das regelmäßige Tropfen des Serums in die Bakterienkultur auf die Nerven gegangen …
    »Wohin wollen Sie jetzt?«
    »Wie bitte?«
    »Wohin wollen Sie? Wohin wollten Sie von hier aus fahren?« fragte er mit einer besänftigenden Handbewegung zu seinem Auto hin.
    »Ich … ich … nach Hause. Aber das ist nicht in Ordnung, ich nehme mir ein Taxi, es ist gleich da, der Stand ist nicht weit.«
    »Kommen Sie, ich fahre Sie hin. Wir müssen nur erst Ihr Auto wieder einparken.
    »Wie denn?« fragte Jo’ela. »Es läßt sich doch nicht bewegen.«
    »Zwei Meter wird’ s schon schaffen.«
    »Sie meinen, ich soll einfach einsteigen und …?«
    »Genau wie vorhin.« Er lächelte. »Das ist auch gut so. Man sollte immer gleich einsteigen und fahren, als wäre nichts passiert, bevor sich ein Trauma entwickeln kann.«
    Nun war der ironische Tonfall nicht zu überhören. Sie setzte sich schnell ins Auto und fuhr es langsam wieder auf den Parkplatz.
    Die Tür des Saab quietschte, als er sie öffnete. In diesem Moment rang sie die Hände, wie ihre Mutter es getan hatte, wenn ein Wasserhahn tropfte oder der Strom ausfiel.
    »Haben Sie jemals gehört, daß einer, dem man das Auto zerbeult hat, den Verursacher des Unglücks auch noch als Anhalter mitnimmt?« Seine runden Augen waren weit offen, und in seinem Blick lag warmes Interesse, Erwartung und Vertrauen. Dieser Blick war es, der sie dazu brachte, sich zum

Weitere Kostenlose Bücher