So heiß wie der Wuestenwind
war so auf das Gespräch mit seinen Brüdern konzentriert, dass sie es für das Beste hielt, ihn nicht zu stören.
Faruq hatte inzwischen das Wort ergriffen. „Ich weiß zwar noch gar nicht, was du uns erzählen willst und was ich davon halten werde, aber hier schon mal vorab, damit Ruhe ist: Ja, Kamal, du bist ein Genie. Aber irgendwie bist du auch ein Irrer. Du hast diese Videokonferenz auf höchster Dringlichkeitsstufe einberufen und uns damit einen Höllenschreck eingejagt. Ich dachte schon, jemand wäre gestorben. Und jetzt sitzt du selbstzufrieden da und grinst wie ein Honigkuchenpferd. Was, zum Teufel, ist nur in dich gefahren?“
„Du solltest lieber fragen, was aus mir gefahren ist. Oder sagen wir, welche zentnerschwere Last mir von der Seele gefallen ist.“
„Mein lieber Bruder, wenn ich nicht genau wüsste, dass du jede Art von Drogen verabscheust, würde ich sagen, du bist total high.“
„Ich bin high, wenn du so willst. Ich schwebe geradezu und steige immer höher. Shehab, erinnerst du dich an den Vortrag, den du mir vor meiner Hochzeit gehalten hast? Als du mir so viel Glück gewünscht hast, wie du es mit deiner Farah erlebst? Tja, Leute, jetzt habe ich euch vom Siegertreppchen gestoßen, denn der Titel des glücklichsten Mannes der Welt gebührt von nun an mir.“
Ein wohliger Schauer lief Aliyah über den Rücken, als sie diese Worte hörte. Kamal, die Liebe ihres Lebens, der Vater ihres noch ungeborenen Kindes, war ebenso glücklich wie sie. So glücklich, dass er es nicht für sich behalten konnte und sogar eine Notfall-Videokonferenz einberief, um es seinen Brüdern, seinen engsten Vertrauten, mitzuteilen.
„Na schön, dann bist du jetzt der glücklichste Mann der Welt“, kommentierte Shehab gereizt. „Aber der nervigste bist du auch. Jetzt rede endlich, ya rejjal . Worum geht es eigentlich?“
Übermütig wie ein Schuljunge wippte Kamal auf seinem Stuhl hin und her. „Ich habe gerade zehn Stunden Videokonferenzen hinter mir. Ich habe mit allen bedeutenden Vertretern der Al Shalaans, der Al Masuds und auch der anderen wichtigen Stämme hart verhandelt, und ich habe es geschafft. Um den Frieden zu erhalten, ist jetzt weder die Ehe mit Aliyah noch ein gemeinsames Kind erforderlich. Das heißt, ich muss nicht mit ihr verheiratet bleiben, und ich muss auch kein Kind von ihr bekommen.“
Starr vor Entsetzen, blieb Aliyah fast das Herz stehen.
Sie konnte es kaum fassen. Das hieß doch nicht etwa …
Kamal sprang aus seinem Stuhl auf, warf die Arme in die Luft und rief freudestrahlend aus: „Ich bin frei!“
Und dann brach eine Welt für sie zusammen.
10. KAPITEL
So schnell war Aliyah noch nie in ihrem Leben gerannt.
Weg, nur weg, fort von diesem Mann. Doch vor der bitteren Bedeutung von Kamals Worten konnte sie nicht davonlaufen. Er war überglücklich, dass er sie nicht mehr brauchte – und auch das Baby nicht.
Und es ergab sogar Sinn, mehr Sinn als seine angebliche immerwährende Liebe. Er hatte es ihr doch erklärt: Er war ein Mann, der seine eigenen Regeln definierte, der zwar große Macht besaß, aber auch eine enorme Verantwortung trug. Was auch immer sein Königsamt von ihm verlangte, er würde es tun. Was zählte schon ein liebeskrankes Dummchen wie sie, wenn er seinen Thron und sein Königreich schützen musste?
Deswegen hatte er ihr ewige Liebe geschworen. Weil er sie noch brauchte. Wahrscheinlich hatte er ihr nach dem Vorfall mit der Vitamintablette nicht geglaubt und dachte, sie nähme wirklich wieder Drogen. Davon musste er sie unbedingt abbringen, einerseits, weil eine süchtige Königin eine Schande wäre, andererseits, weil sie ihm einen gesunden Erben schenken sollte. Und wie konnte er sie am ehesten wieder zur Vernunft bringen? Indem er sie glücklich machte – mit Liebesversprechungen. Ob gelogen oder nicht, das spielte für ihn keine Rolle.
Seine Worte hallten immer noch in ihren Ohren. Welch zentnerschwere Last mir von der Seele gefallen ist. Der Titel des glücklichsten Mannes der Welt gebührt von nun an mir. Ich muss nicht mit ihr verheiratet bleiben, und ich muss auch kein Kind von ihr bekommen. Ich bin frei . Und dazu das überschäumende Glück in seinem Gesichtsausdruck!
All diese Tage, all diese Nächte, alles, was er gesagt und getan hatte – nur widerwillig hatte er ihr das alles vorgespielt und im Stillen darauf gehofft, sie bald loszuwerden. Hauptsache, er brauchte sie nicht mehr. Und das hatte er jetzt erreicht. Es war vorbei.
Als der
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