So heiß wie der Wuestenwind
als du während meiner Abwesenheit in meiner Wohnung herumgeschnüffelt hast …“
„Aliyah, ogssemlek … ich schwöre dir …“
„Ich hatte sie versteckt, weil ich mich dafür schämte … weil sie mein schmutziges kleines Geheimnis waren. Aber nicht so, wie du dachtest. Meine Eltern zwangen mich, sie zu nehmen, seit ich sechs war. Angeblich sollten sie mir gegen mein ADHS helfen, das Zappelphilipp-Syndrom. Erst nach über zehn Jahren habe ich herausgefunden, dass sie längst wussten, dass entweder die Diagnose falsch war oder die Wirkungen der Tabletten für mich schlimmer waren als das Syndrom selbst. Aber da war es schon längst zu spät. Es gab nur zwei Möglichkeiten: das Mittel weiter zu nehmen und wie berauscht durch die Gegend zu laufen – oder es abzusetzen und schwerst selbstmordgefährdet zu sein.“
Er wollte sie umarmen, aber sie wehrte ihn ab. „Erst da begriff ich alles“, erzählte sie weiter. „Mir wurde klar, warum ich die Welt immer wie durch eine Milchglasscheibe gesehen hatte. Da schwor ich mir, das Mittel nie wieder zu nehmen und mich selbst zu heilen. Es war ein schwerer Kampf, das kann ich dir sagen. Monatelang lebte ich in der Hölle, die Versuchung war übermächtig, doch wieder die Pillen zu schlucken und den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Insofern hattest du recht: Ich war süchtig. Vielleicht hast du mal was über Entzugssymptome gehört? Ich hatte sie, und zwar heftig. Mit aller Kraft habe ich dagegen angekämpft. Es gab bestimmt genug Leute, die sich damals das Maul über mich zerrissen haben. Über die Prinzessin, die so weit weg von ihren Eltern wohnte, das kleine Luder, das sich Model nannte, die verwirrte junge Frau, die krampfhaft Freunde suchte, nachdem sie ihr Leben lang eine Einzelgängerin gewesen war. Aber mir war egal, was die Leute dachten, ich wollte das alles durchstehen.“
Kamal nickte. „Erzähl weiter.“
„Schließlich schien ich es geschafft zu haben und fühlte mich relativ stabil. Dann lernte ich dich kennen – und plötzlich wollte ich zu viel. Ich hoffte auf so vieles und hatte eine Höllenangst, es zu verlieren. Ich fühlte mich wieder unruhig und hatte das Gefühl, ich bräuchte eine psychologische Stütze. Deshalb besorgte ich mir das Mittel und versteckte es – nur um mich sicher zu fühlen, als Notnagel gewissermaßen. Ich schwor mir, es nie zu nehmen, und ich habe es auch nie getan. Aber als du mich dann fragtest, ob ich Erfahrungen mit Drogen hätte, geriet ich in Panik. Ich schämte mich so. Ich wollte auf keinen Fall, dass ausgerechnet du – der so perfekt und beherrscht war – erfährst, dass ich den Großteil meines Lebens abhängig und der Rest der Zeit auf Entzug war. Ich wusste, du würdest mich dafür verabscheuen. Also habe ich Nein gesagt, und das war auch keine Lüge. Denn richtige Drogen, so wie du es meintest, habe ich ja nie genommen.“
Sie hielt kurz inne. „Aber dann hast du mich verlassen, und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie stark der Drang war, das Medikament wieder zu nehmen, um den Schmerz zu betäuben. Aber ich bin hart geblieben. Es hat dann noch zwei Jahre gedauert, bis mein wahres Ich zum Vorschein kam … bis ich wirklich ich selbst war. Plötzlich entwickelte ich Ziele, Pläne. Ich begann zu malen und lernte reiten. Und gerade als ich dachte, alles wäre im Lot, kam diese ganze Prinzen-und Königshausgeschichte. Seitdem ist alles durcheinander … und es wird nie richtig in Ordnung kommen.“
Kamal konnte ihre Verzweiflung nachfühlen. Er selber war ebenso verzweifelt.
Aber er zählte jetzt nicht, nur sie zählte. Er war ihr eine Erklärung schuldig. Nicht um sich selbst reinzuwaschen, aber um ihr klarzumachen, warum er damals so gehandelt hatte. Dafür musste er ihr eine Geschichte erzählen, die er noch nie jemandem anvertraut hatte.
„Als ich zweiundzwanzig war, ist mein Cousin und bester Freund Hossam an einer Überdosis gestorben“, begann er. „Es war nicht einmal sein Tod, der so eine tiefe Narbe bei mir hinterlassen hat, es waren die Jahre vor seinem Tod. Mit fünfzehn war er süchtig geworden, und es war furchtbar, wie er sich im Laufe der Zeit veränderte. Er war nicht mehr er selbst. Seine Eltern und ich haben alles versucht, um ihm zu helfen. Wir haben es mit Nachsicht versucht, mit Härte und Strenge, ihm eine Therapie angeboten. Zum Dank beschimpfte er uns.“ Er machte eine kleine Pause.
„Ab und zu schien er dann auf dem Weg der Besserung zu sein, und wir verhielten
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