So heissbluetig kuesst nur einer
die reihenweise vorweisen.“ Sie rang sich ein wehmütiges Lächeln ab. „Meine Eltern sind sehr erfolgreiche Anwälte. Sie haben sich an der Uni kennengelernt, wo sie beide in der ersten Tennismannschaft gespielt haben. Sie sind unglaublich leistungsorientiert und haben sich den Erfolg hart erarbeitet, ebenso wie meine Geschwister. Natürlich habe ich mich auch angestrengt, aber es hat nicht gereicht, mein Bestes zu geben. Auch ich sollte die Beste sein.“ Lena senkte den Kopf und atmete tief durch.
„Ich liebe meine Geschwister und bin stolz auf sie. Aber ich beneide sie auch. Wie sollte ich mit ihnen mithalten? Es war unmöglich. So bin ich an der Seitenlinie gelandet. Meine Stärke besteht darin, andere anzufeuern. Was glaubst du, wie viel Übung ich habe! Ständig gab es irgendwo eine Meisterschaft, zu der ich mitreisen musste. Und bei den Mahlzeiten drehte sich das Gespräch ausschließlich um Strategie und Training.“
„Und was hast du gemacht, während deine Eltern voll auf deine Geschwister konzentriert waren?“, fragte Seth.
„Ich habe mir Rugbyspiele angesehen.“ Sie lachte traurig. „Das hat mir Spaß gemacht. Und in Neuseeland findet ja immer irgendwo ein Spiel statt.“
„Man kann nicht immer nur gewinnen, Lena“, versicherte er ihr.
„Doch. Da siehst du es selbst.“ Sie zeigte auf den Fernseher. Die Silver Knights hatten gerade einen erfolgreichen Versuch abgeschlossen. „Aber es muss eben auch Verlierer geben.“
„Du solltest aber nicht so sehr darauf fixiert sein. Es gibt noch andere Dinge im Leben.“
„Ich weiß. Es ist völlig verrückt, wie meine Familie sich ständig unter Erfolgsdruck setzt. Aber offensichtlich macht sie nur der Erfolg glücklich. Ich wünschte, ich könnte mit ihnen mithalten.“
„Hast du denn nie rebelliert? Einfach, um es ihnen mal so richtig zu zeigen?“ Nach der Scheidung seiner Eltern hatte er rebelliert. Bis er eingesehen hatte, dass er damit nur sich selbst schadete.
Schweigend blickte Lena eine Weile vor sich hin. „Einmal habe ich tatsächlich richtig Mist gebaut“, gestand sie. „Inzwischen ist mir klar, dass ich es nur getan habe, um Aufmerksamkeit zu erregen. Ich habe es meinen Eltern erzählt, weil ich ihre Hilfe brauchte.“ Lena wurde blass.
Er war einfühlsam genug, nicht nachzufragen, auch wenn er vor Neugier fast umkam. Endlich konnte er verstehen, wie es für Lena gewesen sein musste. Besonders schön jedenfalls nicht. „Wie haben sie reagiert?“
„Die erste Frage war, ob noch jemand davon wusste“, flüsterte Lena. „Sie befürchteten, ihr Ansehen könnte darunter leiden. Wie es mir ging, hat sie überhaupt nicht interessiert.“
„Und wie ging es dir?“, erkundigte Seth sich mit leiser Stimme, während er sich den Kopf darüber zerbrach, was sie angestellt haben mochte. Er vermutete, dass sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Vielleicht war sie betrunken Auto gefahren oder hatte mit Drogen experimentiert. Er wollte es jetzt wirklich wissen. Trotzdem verkniff er sich die Frage. Wenn er sich in Geduld übte, würde Lena es ihm von sich aus erzählen, oder?
„Ganz okay. Ich habe die Stadt verlassen und ganz von vorn angefangen.“
Seth wartete schweigend auf weitere Erklärungen. Als nichts kam, schluckte er seine Enttäuschung hinunter und rang sich ein Lächeln ab. „Was deine Eltern denken, spielt sowieso keine große Rolle, oder?“
Verblüfft sah Lena auf. „Aber sie sind doch meine Eltern.“
Offenbar fand sie das nicht so witzig, wie er es gemeint hatte.
„Welches Kind sehnt sich nicht danach, es seinen Eltern recht zu machen?“, fragte sie erstaunt. „Du willst doch auch, dass sie dich lieben und gutheißen, was du machst.“ Sie musterte ihn einen Moment lang und seufzte dann. „Na ja, bei dir besteht sowieso kein Zweifel daran. Du hast so unglaublich viel erreicht – deine Eltern müssen ja stolz auf dich sein.“
Irrtum, hätte er fast gerufen. Plötzlich konnte Seth die heitere Seite auch nicht mehr sehen. Sein Erfolg hatte seinem Vater nie imponiert. Schon als Kind hatte man Seths Intelligenz und Sportlichkeit entdeckt. Das hatte seinen Vater jedoch auch nicht zum Bleiben bewegen können. Und seine Mutter war auch unglücklich geblieben. Seine Eltern hatten sich weitere Kinder gewünscht. Seth allein hatte ihnen nicht genügt. Bei ihm hatte es sich anders abgespielt als bei Lena. Er war ein Siegertyp, fand jedoch keine Anerkennung und konnte seine Eltern nicht beeindrucken oder
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