So hoch wie der Himmel
roch sie ihn. In bezug auf Josh hatte sie einfach einen sechsten Sinn.
Als er sich wortlos in einen der gepolsterten Liegestühle am Rand des Beckens lümmelte, fuhr sie ebenfalls wortlos mit ihren Runden fort.
Natürlich war es zum Schwimmen eigentlich noch zu kalt, aber die Tatenlosigkeit hatte sie beinahe verrückt gemacht. Das Becken war geheizt, so dass leichter Dampf in die kühle Luft aufstieg, während die Brise ihre Arme bei jedem Zug erzittern ließ.
Während sie mit langen, ruhigen Bewegungen durch das Wasser glitt, riskierte sie einen kurzen Blick auf ihn. Er starrte irgendeinen Flecken im Rosengarten an. Geistesabwesend, wie sie fand.
Er hatte dieselben Augen wie Laura, dachte sie. Es überraschte sie immer wieder, in seinem Gesicht Lauras Augen vorzufinden. Sein Blick war kühler, überlegte sie, voller Ungeduld, und häufig auf Margos Kosten amüsiert.
Irgendwo hatte er sich Sonnenbräune geholt, entdeckte sie, während sie wendete und in die andere Richtung zurückschwamm. Das warme Braun verstärkte noch die Attraktivität seiner Züge, die bereits von Natur aus eine geradezu sündige Schönheit aufwiesen.
Da sie selbst ihr Äußeres einzig als glücklichen Zufallsfund aus dem Vorrat menschlicher Gene betrachtete, maß sie dem bloßen guten Aussehen eines Menschen in Wirklichkeit keine übermäßige Bedeutung bei. Schließlich war es Schicksal, ob man gut aussah oder häßlich.
Mit Joshua Templeton hatte es das Schicksal halt besonders gut gemeint.
Sein Haar war ein wenig dunkler als das seiner Schwester. Rehbraun, dachte Margo, nannte man es wohl. Er hatte es ein wenig wachsen lassen, seit sie sich zum letzten Mal zufällig begegneten. Wann war das gewesen – vor drei Monaten – in Venedig? Jetzt fiel es auf den Kragen seines lässigen schokoladebraunen Seidenhemds, dessen Ärmel er zur Bequemlichkeit bis zu den Ellbogen raufgekrempelt hatte.
Immer wieder zog sie sein schöner, ausdrucksstarker Mund magisch an. Ein Mund, der ein charmantes Lächeln, höhnisches Feixen, und schlimmer noch, ein Lächeln, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, produzieren konnte.
Sein Kinn war fest, und zum Glück hatte er den Bart, den er als Twen zur Schau gestellt hatte, inzwischen wieder abgelegt. Er besaß eine gerade und aristokratisch schmale Nase. Insgesamt verströmte er eine Aura des Erfolgs, des Selbstvertrauens, der Arroganz und einer gewissen Gefährlichkeit.
Sie haßte es, sich eingestehen zu müssen, dass diese Aura sie in ihrer Jugend zugleich erschreckte und faszinierte.
Eines wusste sie genau. Er war der letzte Mensch, den sie merken lassen würde, wie furchtbar sie die Gedanken an die Gegenwart und vor allem an die Zukunft peinigten. Langsam richtete sie sich am flachen Ende des Beckens auf. Das Wasser perlte von ihrem Körper ab, als sie gemächlich die Stufen zum Rand erklomm. Sie fror, aber ehe sie das zugäbe, erstarrte sie lieber zu einem Block aus Eis.
Als hätte sie erst jetzt bemerkt, dass sie nicht alleine war, zog sie lächelnd eine Braue hoch. Ihre Stimme war kehlig und beinahe verführerisch. »Aber hallo, Josh, die Welt ist doch ein Dorf!«
Außer ihrem winzigen Bikini aus saphirblauem Spandex trug sie nichts. Sie besaß üppige Kurven, zugleich eine überraschende Geschmeidigkeit und ihre Haut wirkte glatt wie polierter, von feinster Seide überzogener Marmor. Die meisten Männer, so wusste sie, sahen sie nur einmal an, und schon war es um sie geschehen.
Josh hingegen schob seine Sonnenbrille ein Stückchen tiefer und unterzog sie über den Rand hinweg einer kritischen Musterung. Er merkte, dass sie allmählich vor Kälte eine Gänsehaut bekam. Brüderlich warf er ihr ein Handtuch zu.
»Vermutlich hört man in einer Minute deine Zähne klappern.«
Verärgert schlang sie sich das Handtuch um den Hals, ballte die Fäuste und sah ihn böse an. »Es ist erfrischend. Darf man fragen, woher du gerade kommst?«
»Aus Portofino. Allerdings habe ich auf dem Rückweg noch einen kurzen Abstecher nach London gemacht.«
»Portofino. Einer meiner Lieblingsorte, auch wenn dort kein Templeton Hotel zu finden ist. Hast du im Splendido gewohnt?«
»Wo sonst?« Wenn sie dämlich genug war, weiter in der Kälte herumzustehen, wäre es ihm auch egal. Er kreuzte die Beine und lehnte sich zurück.
»Die Ecksuite«, erinnerte sie sich. »Wo man auf der Terrasse steht mit Blick auf die Bucht, die Hügel und die phantastischen Gärten.«
Genau das hatte er vorgehabt. Ein paar
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