So hoch wie der Himmel
Tage der Entspannung, vielleicht einen kleinen Segeltörn. Stattdessen hatte er pausenlos mit der Polizei und diversen Politikern in Griechenland herumtelefoniert.
»Und, wie war es in Athen?«
Beinahe hätte ihm seine Frage leid getan, als er bemerkte, wie in ihren Augen so etwas wie Traurigkeit aufflackerte, doch sie hatte sich sofort wieder im Griff. »Nicht ganz so gastfreundlich wie die Male zuvor. Es gab ein kleines Mißverständnis. Aber inzwischen ist alles geklärt. Obwohl ich zugeben muß, dass die Unterbrechung meiner Kreuzfahrt ein wenig lästig war.«
»Das glaube ich gern«, murmelte er. »Ziemlich rücksichtslos von den Behörden, finde ich. All diese Umstände wegen ein paar lächerlicher Kilo Heroin.«
Sie setzte ein unbekümmertes Lächeln auf. »Du hast es erfaßt.« Lässig nahm sie ihren Morgenmantel, der über einem der Stühle hing. Doch nicht einmal ihr Stolz verhinderte, dass sie allmählich wie Espenlaub zitterte. »Obwohl ich eine kurze Aus-Zeit ganz gut gebrauchen kann. Es ist schon viel zu lange her, seit ich zum letzten Mal genug Zeit hatte, um mich Laura, Kate und den Mädchen zu widmen.« Als sie den Gürtel ihres Bademantels zusammenknotete, hätte sie beinahe wohlig aufgeseufzt. »Und natürlich dir.« Mütterlich tätschelte sie ihm die Wange, da sie wusste, wie sehr ihn diese Geste ärgerte. »Wie lange gedenkst du zu bleiben?«
Da er wiederum wusste, dass es sie ärgerte, hielt er ihre Handgelenke fest, stand auf und sah sie herausfordernd an. »Bis ich wieder fahre, schätze ich.«
»Tja, dann!« Irgendwie schien sie immer zu vergessen, dass er zehn Zentimeter größer als sie war. Bis sie seinem durchtrainierten Körper gegenüberstand. »Dann wird es ja wie früher sein, nicht wahr? Ich glaube, ich gehe erst mal rein und ziehe mir ein paar trockene Sachen an.«
Sie küßte ihn auf die Wange, gönnte ihm über die Schulter ein
»Ciao«
und schlenderte den Weg zum Haus hinauf.
Josh sah ihr nach und haßte sich dafür, dass er eine etwas stürmischere Begrüßung erwartet hatte. Viel, viel mehr jedoch haßte er sich dafür, dass er sie noch genauso liebte wie zuvor.
Erst beim sechsten Versuch fand Margo die Garderobe, die ihr für das gemeinsame Mittagessen gut genug erschien. Die fließende Seidentunika und die leichte Hose in zartem Pink wirkten lässig und zugleich stilvoll elegant. Zur Vervollkommnung ihres Äußeren legte sie goldene Ohrringe, ein paar Armreifen und eine lange, geflochtene Kette an, ehe sie zehn Minuten lang überlegte, welche Schuhe sie anziehen sollte – ehe sie sich dafür entschied, am besten barfuß zu gehen. Auf diese Weise bekäme ihr Erscheinungsbild etwas Sorgloses.
Weshalb sie Josh unbedingt beeindrucken wollte oder weshalb sie sich stets darum bemühte, besser zu sein als er, konnte sie sich nicht erklären. Rivalität zwischen Beinahe-Geschwistern schien ihr eine allzu lahme und gewöhnliche Erklärung zu liefern.
Es stimmte, dass sie von ihm als Kind aufgrund der vier Jahre Altersunterschied stets gnadenlos gehänselt worden war. Als Teenager dann hatte er sie regelrecht gequält, und jedesmal, wenn er ihr bisher als Erwachsener begegnete, hatte er ihr das Gefühl vermittelt, entweder dumm, oberflächlich oder aber verantwortungslos zu sein.
Einer der Gründe, weshalb ihr der Bella-Donna-Vertrag so sehr am Herzen lag, war, dass sich durch ihn ihr Erfolg in Zahlen messen und er sich unter Joshuas arrogant gerümpfte Nase halten ließ. Aber jetzt hatte sie den Kontrakt nicht mehr. Alles, was sie noch besaß, war ihre Erscheinung – die sie durch die Garderobe und den Schnickschnack komplettierte, den sie mit förmlicher Besessenheit über die Jahre hinweg gesammelt hatte.
Gott sei Dank war sie dem gesamten Schlamassel in Athen entronnen, ehe er ihr auf einem weißen Schlachtroß zu Hilfe eilte. In dem Falle würde er bestimmt dafür sorgen, dass sie eine derartige Erniedrigung für den Rest ihres Lebens nicht mehr vergaß.
Als sie die Treppe hinunterstieg und sich in Richtung der südlichen Terrasse wandte, drang als erstes Lauras Lachen an ihr Ohr. Plötzlich blieb sie stehen. Genau das hatte ihr während der letzten Tage gefehlt, erkannte sie. Lauras Fröhlichkeit. Bisher war sie zu sehr in ihr eigenes Elend versunken gewesen, um die Veränderung der Freundin zu bemerken. So sehr ihr Joshs Anwesenheit auch auf die Nerven ging, musste sie ihm für sein Kommen dankbar sein – er zauberte wieder die alte Laura ans Licht.
Lächelnd
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