So kam der Mensch auf den Hund
Keiner von ihnen ist ganz rein lupusblütig: Es ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, daß die weiter und weiter nach Norden
vordringenden Menschen bereits domestizierte, schakalblütige Hunde mit sich geführt haben, aus denen dann durch ständig wiederholte
Einkreuzung von Wolfsblut die genannten Rassen hervorgegangen sind. Über die seelische Eigenart der wolfsblütigen Hunde werde
ich noch viel zu sagen haben!
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Wie man heute mit Sicherheit weiß, handelt es sich nicht um den Goldschakal, sondern um eine dem Wolf weit näherstehende Wildhundform,
möglicherweise um den indischen Wolf Canis lupus pallipes. Im übrigen wird die Geschichte genauso gewesen sein.
|16| Wurzeln der Herrentreue
Die Anhänglichkeit eines Hundes entstammt zwei voneinander grundsätzlich verschiedenen, triebmäßigen Quellen. Größtenteils
ist sie, vor allem bei unseren europäischen Rassen, Folge jener Bindungen, die den jungen Wildhund an das Elterntier fesseln,
die aber beim Haustier als Teilerscheinung einer allgemeinen Verjugendlichung dauernd erhalten bleiben. Die andere Wurzel
der Anhänglichkeit liegt in der Gefolgschaftstreue, mit welcher der Wildhund an der Person des Rudelleiters hängt, aber auch
in der persönlichen Liebe, welche die Rudelgenossen untereinander verbindet.
Diese zweite Wurzel ist bei allen wolfsblütigen Hunden stärker als bei den Schakal-Abkömmlingen, da im Leben des Wolfes der
Zusammenhalt des Rudels eine bedeutend größere Rolle spielt.
Nimmt man ein Jungtier einer nicht domestizierten Hundeart zu sich und zieht es wie einen Haushund in der menschlichen Familie
auf, so kann man sich leicht davon überzeugen, daß die Jugendanhänglichkeit des wilden Tieres identisch ist mit jenen sozialen
Bindungen, welche die meisten unserer Haushunde zeitlebens bei ihrem Herrn halten. Ein solcher junger Wolf ist zwar scheu,
drückt sich gern in finsteren Winkeln herum, hat Hemmungen, einen freien Platz zu überqueren, schnappt leicht zu, wenn Fremde
ihn streicheln wollen – er ist von Geburt an ein »Angstbeißer« –, dem Herrn gegenüber verhält er sich jedoch in allen Punkten wie ein junger Hund, auch was die Anhänglichkeit betrifft.
Handelt es sich um ein Weibchen, das auch in freier Wildbahn normalerweise einen männlichen Leitwolf als »vorgesetzte Dienststelle«
anerkennen würde, mag es unter Umständen einem begabten Erzieher gelingen, in diese Stellung hinüberzuwechseln und dergestalt
sich die Anhänglichkeit dauernd zu sichern. Handelt es sich aber um einen Rüden, |17| gibt es für den Herrn regelmäßig bittere Enttäuschungen: Sobald das Tier nämlich voll erwachsen ist, sagt es dem Menschen
plötzlich den Gehorsam auf und macht sich unabhängig. Es wird zwar dem bisherigen Herrn gegenüber nicht bösartig, es behandelt
ihn als Freund, keineswegs jedoch als ehrfurchtgebietenden Herrscher, ja es versucht vielleicht sogar, seinen Herrn zu unterjochen
und sich zum Spitzentier, zum Leitwolf aufzuschwingen. Bei der Gefährlichkeit des Wolfsgebisses geht dies häufig nicht ganz
unblutig ab.
Ähnliche Erfahrungen machte ich mit meinem Dingo. Er war gewiß nicht aufsässig, auch versuchte er nicht, mich zu beißen, als
er jedoch die volle Reife erlangt hatte, fand er eine höchst eigenartige Weise, mir seinen Gehorsam aufzukündigen. Als Jungtier
unterschied er sich in seinem Verhalten überhaupt nicht von einem Haushund. Hatte er etwas angestellt und war er dafür bestraft
worden, sah man auch ihm das schlechte Gewissen an, auch er suchte den erzürnten Menschen zu versöhnen und seine Liebkosung
zu erbetteln. Als er aber etwa eineinhalb Jahre alt geworden war, nahm er zwar immer noch jede Strafe ohne Widerrede hin,
das heißt ohne zu knurren oder sich zu widersetzen, war jedoch die Sache vorbei, schüttelte er sich, wedelte mich freundlich
an, wollte spielen, kurz, er war in seiner Stimmungslage von der Strafe nicht im geringsten beeinflußt und ließ sich durch
sie nicht im leisesten davon abhalten, beispielsweise wieder zu versuchen, eine meiner schönen Enten umzubringen.
Im selben Alter verlor er jede Neigung, mich auf meinen täglichen Spaziergängen zu begleiten, er lief einfach weg, ohne sich
um meine Rufe zu kümmern. Dabei war er, um dies nochmals zu betonen, mir durchaus freundschaftlich gesinnt und begrüßte mich,
sooft wir einander trafen, freudig mit allen bei einer Hundebegrüßung üblichen Zeremonien. Man darf eben
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