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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Justines Ärger hatte ihr Haare ins Gesicht geworfen, die sie jetzt zur Seite strich; es sah aus, als teilte sich ein Schleier und enthüllte große, braune Augen, hohe Wangen, volle Lippen und einen sinnlichen Überbiß, ein Gesicht, das man sich leicht vor einer Kamera des Kabelfernsehens vorstellen, ein Gesicht, das nach allen außer den banalsten Maßstäben als schön gelten konnte. »Mit einer Ausbildung kann ich doppelt soviel wie beim Freund des Menschen verdienen.«
    »Laß uns doch ehrlich sein, Justine. Geld ist ’ne Sache, die du und ich nie kapieren werden. Wenn’s auf Bäumen wüchse, täten wir in ’ner Hähnchenbraterei malochen.«
    »Du machst dir Sorgen wegen des Zasters?« Energisch malmte Justine zwischen den Kiefern ihren Spearmint-Kaugummi. »Dann gewöhn’s dir ab, rumzulaufen und siebentausend Dollar zu verschleudern, als wär’s nicht unser Geld.«
    Es gab einen Krach. Beide schrien sich an. Drohten sich sogar mit Fäusten. Wie infolge eines Erdbebens ans Tageslicht geworfene Reste alter Barbarei kam gegenseitige Abneigung zum Vorschein. Die Streitigkeit uferte so weit aus, daß sie sich bald um Georges Neigung drehte, zu unterstellen, Justine hätte die alleinige Verantwortung für die Haustiere, und sich auf nach Georges Auffassung vorhandene Tendenz Justines erstreckte, ihre Eltern schlecht zu behandeln, indem sie immer ihre Geburtstage vergaß. Ihre Auseinandersetzung streifte die Frage, ob sie den Anforderungen eines zweiten Kinds, ob Geldsorgen oder keine, überhaupt gerecht werden könnten, und schließlich griff sie über auf Fragen des Atomkriegs und strategischen Denkens. George vertrat die Ansicht, man würde aus Flugzeugen Atombomben abwerfen. Justine war sicher, es käme zur Verwendung von Fernraketen. Sobald die Meinungsverschiedenheit ein wenig verebbte, verwies George auf immer neue Vorzüge der Montur.
    »Heiliger Strohsack, wie sollen die denn irgendwem nutzen?« fragte Justine, nachdem George ihr die vakuumverpackten Samen gezeigt hatte. »Hast du eigentlich ’n Schimmer, wie lange das Zeug zum Wachsen braucht?«
    »Es ist resistent gegen ultraviolettes Licht.«
    »So? Und was soll das bedeuten?«
    »Es verhält sich wie mit der Grille und der Ameise.«
    »Wie verhält es sich?«
    »Das war einfach hirnrissig, Justine, sich feuern zu lassen. Wirklich blöde. Diese Montur wird uns doch zu Seelenfrieden verhelfen. Du mußt Sweetser eben bitten, dich wieder einzustellen.«
    »Eines habe ich dir zu erzählen vergessen, Liebling«, sagte Justine mit schiefem Lächeln. »Harry hat heute mein Hinterteil begrapscht.«
    *
    Im selben Moment, als John Frostig an der Tür George mit der kleinen ARES-Montur unterm Arm stehen sah, wußte er, daß er den Kaufvertrag wegwerfen konnte. Er holte den Vertrag und den Scheck über $ 345,71 aus dem Aktenkoffer, rollte beides zu einem Papierstengel zusammen und stupste damit George in den Bauch, als wollte er ihn erdolchen. In grimmigem, halblautem Ton sagte er George ein paar deutliche Worte.
    »Ich muß nun mal ein paar Dinge unumwunden klarstellen, mein alter Spezi-Spezi.« Er schlang einen Arm wie ein Joch um Georges Hals und führte ihn ins Haus. »Jetzt sind wir Freunde, mein lieber Grillerich, aber sobald die Sprengköpfe ins Ziel knallen, werde ich mich um mich und meine Familie kümmern, und um sonst niemanden. So ist das mit uns Ameisen.«
    ARES-Monturen füllten Johns Wohnzimmer, lagen der Länge nach auf dem Fußboden, hingen schlaff wie Todmüde auf den Couchen, ruhten in den Sesseln. Eine Montur schaute sich am Fernseher ein Fußballspiel an. Eine andere spielte Klavier. Man hätte meinen können, das Haus sei der Treffpunkt einer außerirdischen Ortsgruppe des Ku-Klux-Klans.
    »Kurzum«, erklärte John leise, »jeder dem zu Ohren kommt, wir Ameisen hätten einige unverkaufte Monturen auf Lager… jeder der sich vor unserem Bau blicken läßt, um so eine Montur abzustauben… jede derartige Person, auch wenn sie ’n alter Kumpel ist, läuft Gefahr, daß man ihr mit ’m Remington Achthundertsiebzig die Rübe wegballert.«
    Alice Frostig hob den Blick von ihrer Nähmaschine – sie reparierte den Handschuh einer ARES-Montur – und senkte ihren knubbligen, mit einem ausgedünnten Schopf bedeckten Schädel zu einem Nicken, das einem Amen glich. Außer anderen bedauerlichen Eigenschaften hatte sie den Nachteil, das weibliche Äquivalent eines Hahnreis zu sein. Mehr als einmal hatte George beobachtet, wie John sich im Knüllen

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