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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Generalmajors und legte es sich selbst um. Er sägte an dem Stahlkabel. Das Sägeblatt quietschte und schrillte. Henker knallte aufs Wagendach. George streckte ihn ordentlich aus, wie er es vom Umgang mit Verstorbenen aus dem Wildgrover Beerdigungsinstitut Lazarus kannte.
    Nadine Covington lenkte das Fahrzeug zum nächsten Baum. Overwhites Bart glich einer Laubsägearbeit aus Eiszapfen und Reif. George holte auch ihn herunter.
    Dann Randstable. Und Sparren. Und Wengernook, der sogar im Tode nervös aussah.
    Nachdem er die schweren, steifgefrorenen Leichen im Heck des Fahrzeugs aufgeschichtet hatte, ging er zurück zu Sparrens Apfelsinenbaum. Hatten seine Augen ihn getrogen? Nein, da lag sie, eine kleine Bibel, auch starrgefroren. Er hob sie auf.
    *
    79. Grad 38 Minuten südlicher Breite / 169. Grad 15 Minuten östlicher Länge.
    Aus dem Eis erhob sich ein Stein, dem George große Ähnlichkeit mit dem Megalithen ansah, den er auf dem Friedhof Snape’s Hill besichtigt hatte. An dieser Stelle, nur 15 Kilometer von Vorräten entfernt, war Robert Falcon Scott verschieden, nachdem es ihm mißlungen war, als erster Mensch den Südpol zu erreichen.
    Das beschriftete Monument erregte bei George den Eindruck, daß die Tatsache, von einem Norweger überrundet worden zu sein, Scott stärker verstimmt hatte, als die Aussicht des Verhungerns.
    »Natürlich hätte er genausogut als Norweger und Amundsen als Brite geboren werden können«, meinte Nadine Covington, »und in dem Fall hätte Scott sich darüber gefreut, daß Amundsen als erster hinkam.«
    »Nicht wenn Scott Norweger gewesen wäre.«
    »Wieso nicht?«
    »Dann wäre ja ein Brite erster gewesen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    An der Hecktür des Eisbär-Raupenfahrzeugs klemmte eine Hacke. George machte sich daran, eine Grube ins Ross-Eisschelf zu hauen. Windstöße mit Temperaturen unter null Grad verwehten das Klirren des Metalls aufs Eis; weiße Funken stoben in die Luft. Allmählich vergrößerte George die Grube, bis ihre Ausmaße genügten, um alle fünf Toten aufzunehmen. Mit Nadine Covingtons Unterstützung senkte er seine Mitangeklagten hinab ins Dunkel. »Hassen Sie sie?« fragte er.
    »Ich verabscheue die nichtswürdigen Gedanken, die sie hatten«, gab Mrs. Covington zur Antwort.
    »Wir sollten an ihrem Grab ’n Wort sprechen.«
    »Nur zu.«
    Zehn Minuten lang mühte George sich mit der gefrorenen Bibel ab. Sie aufklappen zu wollen, glich dem Versuch, Granit mit den Fingern zu brechen. Endlich gelang es ihm, sie knapp hinter der Mitte aufzureißen, bei Jesus Sirach, dem Ecclesiasticus, dessen Werk, eine Sammlung existentialistischer Texte, man nur irrtümlich in die Bibel aufgenommen hatte. Die Unitarier hatten ihn sehr geschätzt. Zweifellos hätte der arme Pastor Sparren zum Abschied Dramatischeres bevorzugt – Ezechiel, Sophonias, die Offenbarung –, aber es stand nichts anderes mehr zur Wahl.
    »›Bei allen Wesen, von den Menschen bis zum Vieh, und bei den Sündern siebenfach verstärkt, herrscht Pest und Blutvergießen, Fieber, Schwert, Verwüstung und Verderben, Hungersnot und Tod‹«, las George. »›Das Übel ist erschaffen für den Frevler‹«, las er weiter »›und seinetwegen die Vernichtung auferlegt.‹« Sein Blick fiel auf einen anderen Absatz. »›Was immer aus dem Nichts kommt, kehrt zum Nichts zurück…‹«
    »Das war sehr passend«, sagte Nadine Covington.
    George stieg ins Grab, öffnete an Pastor Sparrens ARES-Montur den Reißverschluß und legte ihm das zerfranste Büchlein aufs Herz.
    Sobald George wieder auf dem Eis stand, füllte er die Grube mit Eis und Schnee, während Nadine Covington sich laut Reminiszenzen an ihren Ehemann Nathaniel hingab, jedes Goldstück aus dem Schatz ihrer annullierten Zukunftserinnerungen in allen Einzelheiten würdigte: Nathaniel Covington, ein wahrer Poet; Nathaniel Covington, ein großartiger Liebhaber.
    Aus dem Werkzeugkasten des Eisbär-Raupenfahrzeugs suchte die Alte Hammer und Meißel hervor. George brauchte eine Stunde, um Scotts Monument eisfrei zu kratzen. Gleichmäßig, mit fester Hand, leuchtete Nadine Covington ihm mit der Lampe, während er mit Kalk die Umrisse der vorgesehenen Inschrift vorzeichnete. Die Zunge nachdrücklich auf den Schnurrbart gepreßt, machte er sich daran, die handwerkliche Tradition seines Gewerbes zu ehren.
    Der Hammer pochte. Der Meißel tanzte.
    Er brachte eine hervorragende, professionelle Leistung zustande; jedenfalls lautete so Nadine Covingtons

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