So nah am Leben
alten Menschen, die nicht alle glücklich zu sein scheinen. Und dann gibt es da so viele Erinnerungen, die in allen möglichen Situationen auftauchen, und ich bekomme immer nur zu hören, daß ich mich wieder nach hinten begeben soll. Ich bekomme ständig zu hören, daß ich nur den Moment störe. Das ist so gemein.“ — „Ja, das kenne ich gut!“, jammert der Schmerz, noch bevor die Traurigkeit richtig zu Ende gesprochen hat. „Mich will ja auch keiner, und dabei habe ich eine so wichtige Aufgabe. Mich wollen auch alle immer nur weghaben. Ich bin total verkannt, aber die werden schon sehen, was sie davon haben, ich bin hartnäckig und weiche nicht von der Stelle, bis sie sich um mich kümmern.“
„Langsam, langsam, Kinder! Ich finde, ihr beide übertreibt ein bißchen. Ich sehe das auch eher so wie das Wohlbehagen und die Demut“, mischt sich nun die Zufriedenheit ein. „Wir haben doch gar keinen Grund zur Klage. Alles läuft doch prächtig.“ — „Also, ich weiß nicht — so einfach kann man es sich auch wieder nicht machen. Es kommt doch nie so, wie man es will. Da freut man sich auf etwas... und dann... na ja, das kennen wir ja, immer wenn andere mit im Boot sitzen, dann weiß man nie so genau, ob das gut ausgeht... ich hab da so meine Erfahrungen, glaubt mir.“ Die Enttäuschung hat etwas Arrogantes in ihrem Tonfall und schaut auffordernd zur Einsamkeit hinüber. „Sag doch auch mal was!“ — „Ach, laß mich in Ruhe. Was soll ich denn schon dazu sagen?“ Schmollend zieht sich die Einsamkeit zurück.
Die Moderatorin hat sich bis jetzt noch nicht zu Wort gemeldet. Sie hat sich erst einmal einen ersten Eindruck verschafft, dann hat sie eine Idee. „Ich möchte euch einen Vorschlag unterbreiten. Was haltet ihr davon, wenn wir mal nachschauen, welche eurer Anteile von heute herrühren und welche zusätzlich von Erfahrungen aus der Vergangenheit stammen?“
Ein Gemurmel geht durch die Runde. Einige tuscheln miteinander, die Einsamkeit schmollt immer noch. Nach ein paar Minuten sind sie sich einig, daß sie sich auf das Experiment einlassen wollen, obwohl die Enttäuschung noch einmal hervorhebt, daß man ja nie wissen könne...
„Also, dann schlage ich vor, daß jeder von euch einzeln und ganz in Ruhe sortiert, was von heute ist und was von früheren Erfahrungen entstammt, okay?“ Sie sind einverstanden.
Der Schmerz fängt an. „Also, heute habe ich eigentlich noch keinen Grund, aber ich weiß ja aus der letzten Zeit...“ Er stutzt. „Na ja, ich meine, ich muß doch aufpassen, daß gar nicht erst was Schlimmeres passiert. Und da komme ich auch schon mal prophylaktisch. — Und da ist noch etwas: Ich bin schon zu oft nicht gehört und mit Tabletten unterdrückt worden. Das geht nicht, ich will ernst genommen werden.“ Die Moderatorin hakt noch einmal nach: „Aber heute gibt es für dich eigentlich noch keinen Grund. Die Belastungen sind bis jetzt noch im grünen Bereich. Das habe ich richtig verstanden?“ — „Ja, ja... aber ich will ernsthaft wahrgenommen werden. Ich bin wichtig!“ — „Okay, das haben wir, so glaube ich, alle verstanden. Wer möchte als Nächstes?“
Die Zufriedenheit meldet sich: „Ja, ich habe heute allen Grund, mich zu melden. Heute ist ein wunderbarer Tag. Es stimmt doch alles: das Wetter, die Landschaft, und der Schmerz hat eben selbst gesagt, daß er heute eigentlich keinen Grund hat... das paßt doch wunderbar! Und ich habe auch kein Problem damit, daß ich nicht gesehen werde. Wenn ich auftauche, nehmen mich sowieso alle wahr. Das ist heute so, und das war schon immer so. Damit bin ich zufrieden!“ Die Moderatorin bedankt sich und blickt in die Runde.
„Dem möchte ich mich anschließen“, haucht die Demut. „Ich bin zwar in den letzten Jahren nie so richtig zum Einsatz gekommen, aber ich merke, daß diese Reise etwas verändert, und so freue ich mich darauf, in Zukunft wirken zu können. Ich bin da nicht so empfindlich, ich nehme die Dinge, wie sie sind. Immerhin bedarf es einer gewissen Reife, um mich wahrzunehmen. Also für mich ist das hier eher Gegenwart!“
„Bevor jetzt die ganzen Miesmacher auf den Plan treten, möchte ich noch eben meine Erfahrungen erzählen.“ Das Wohlbehagen hat einen forschen Ton angeschlagen und fährt fort: „Ich bin hier heute auch richtig. Mir geht es da wie der Zufriedenheit, wenn ich auftrete, dann nimmt man mich auch wahr. Wir sind halt gern gesehene Gäste. Ich kenne das sowohl aus der Vergangenheit
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