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So nah bei dir und doch so fern

So nah bei dir und doch so fern

Titel: So nah bei dir und doch so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Allatt
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Morgenstunden von Mark verabschiedet hatte, nachdem er aus dem Krankenhaus zurückgekehrt war, betrug meine Überlebenschance gerade mal fünfzig Prozent. Sie konnte nicht mit ihm reden, da sie sich davor fürchtete, eine schlechte Nachricht zu hören. Anita, die Intuitive unter uns, spürte, dass etwas passiert war, und als Alison ihr die Wahrheit erzählte, kamen sie überein, es für sich zu behalten, bis es nähere Neuigkeiten gab.
    An den folgenden Tagen, als sich die Nachricht von meinem Zustand im Dorf verbreitete, wurde das Bringen und Abholen der Kinder von der Schule noch schwieriger, da immer mehr Mütter Mark aus dem Wege gingen. Man konnte meinen, er sei es, der eine furchtbare Krankheit mit sich herumtrug. Alle waren schockiert, doch niemand wusste, was er sagen sollte. Jedermann hatte Fragen, aber wie es sich in einem höflichen, gutbürgerlichen Gemeinwesen gehört, wollte niemand der Erste sein, der Mark eventuell aus der Fassung brachte. Meine Mutter und meine Freundinnen waren es, die ihm über die ersten schweren Tage hinweghalfen.
    Nachdem die Kinder zur Schule gebracht worden waren, versammelte sich meine Familie im Besuchszimmer der Intensivstation zu einem Gespräch mit den Ärzten und dem Pflegepersonal. Es war eine unbehagliche Situation mit sehr viel Schweigen, denn aus medizinischer Sicht gab es kaum etwas Neues zu berichten. Ich hatte die Nacht überlebt, das immerhin war positiv, doch die nächste Aufgabe bestand darin, mich über den Rest der Woche zu bringen.
    Mark wollte wissen, wie düster die Prognose sei, deshalb fragte er: »Auf einer Skala von null bis zehn, wobei zehn Tod bedeutet, wie schlimm steht es da um Kate?«
    Er erwartete eine mittlere Einstufung von fünf, doch als Antwort erhielt er »Acht«.
    Dies war der Punkt, als wirklich zu allen durchdrang, wie nahe ich dem Tode war. Meine Mutter war entsetzt, zum einen über die nüchterne Art und Weise, wie Mark mein Leben auf eine Wahrscheinlichkeits-Waagschale hatte legen können, zum anderen über die Trostlosigkeit der Antwort. Sie brauchte einen Hoffnungsschimmer, um das natürliche Gleichgewicht der Mutterschaft wiederherzustellen, welches besagt, dass die Kinder einen überleben sollten.
    Einer der Ärzte, ein Ire, musste die Fassungslosigkeit meiner Mutter bemerkt haben, denn er erklärte, das Gehirn sei ein erstaunliches Organ, und er habe einen Fall wie meinen erlebt, bei dem es zu einer Besserung gekommen sei. Und wenn es erst einmal zu einem Fortschritt käme, dann vollzöge sich für gewöhnlich ziemlich schnell ein Heilungsprozess, der sogar zu einer fast normalen Genesung des Patienten führen könne. Allerdings machte der Doktor seinen eigenen Hoffnungsschimmer gleich wieder zunichte, als er hinzufügte, um mich stünde es wirklich sehr schlecht, und bei vielen Patienten mit einer schweren Schädigung des Hirnstamms wie meiner könne man kaum mit einer vollständigen Genesung rechnen. Vielmehr müsse man davon ausgehen, dass ich für den Rest meines Lebens ein Pflegefall bliebe. Falls ich überlebte.
    »Das sind keine guten Aussichten«, fasste Mark die Gedanken der anderen zusammen. Die Ärzte nickten zustimmend.
    In den folgenden Tagen machte sich Mark den Grundsatz zu eigen: »Das Leben wird hart sein, aber wir müssen damit zurechtkommen.« Bei der Arbeit informierte er seinen unmittelbaren Vorgesetzten, sprach aber nicht mit seinen anderen Kollegen darüber, da er keine schwierigen Fragen beantworten wollte. Mit Unterstützung meiner Mutter und seiner Eltern entwickelte er eine tägliche Routine aus Arbeit, Krankenhaus und Schlaf. Sobald die Kinder um halb neun im Bett waren, legte auch er sich schlafen. Er wollte vermeiden, abends allein dazusitzen und ins Grübeln zu geraten, denn er wusste, wenn er es zuließe, würde er in ein tiefes Loch stürzen, aus dem er vielleicht nie mehr herauskäme. Später erzählte er mir, er habe es noch Monate nach meinem Schlaganfall nicht geschafft, sich in unser Wohnzimmer zu setzen, wo das Drama begonnen hatte. Der Raum vermittelte ihm ein Gefühl zu großer Einsamkeit.
    Es ist erstaunlich, dass einen in den bittersten Zeiten die einfachsten Dinge zum Lachen bringen können. Für Mark und meine Familie ergab sich dies anlässlich einer entgangenen Fischpastete und eines Kneipenabends mit den Kumpels.
    Sobald sich die Nachricht von meinem Zustand verbreitet hatte, trat die Dorfgemeinschaft von Dore in Aktion. Mit Krankenhausbesuchen war niemandem geholfen, daher

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