So nah bei dir und doch so fern
gehört hatte, der craic – der Spaß bei den Treffen – sei dort besonders groß.
Mark war dreiundzwanzig und spielte in der ersten Mannschaft des Sheffield Rugby Clubs. Zusammen mit seinen Rugbykumpanen sorgte er für Umsatz in der Bar und wollte gerade sein siebtes Pint Snake Bite (eine Mischung aus Apfelwein und Bier) mit schwarzer Johannesbeere hinunterschütten, als er verkündete: »Das nächste Mädchen, das durch die Tür kommt, fordere ich zum Tanz auf.«
Herein kam ich, gefolgt von meinen Freundinnen. Es war schon ziemlich spät. Nachdem ich im ersten Semester jede Menge Jungen kennengelernt hatte, durchlebte ich momentan eine Saure-Gurken-Zeit und war an diesem Abend auf Spaß aus. Der DJ spielte das Anfangsriff von Don’t Bang The Drum von den Waterboys, und wir tanzten weniger, als dass wir auf der Tanzfläche herumschlingerten. Mein Bier spritzte auf den Boden, und wir torkelten nach dem Takt, den wir im Kopf hatten, nicht nach der Melodie, die gespielt wurde. Wir lachten viel, und ich zog ihn auf, seine Krawatte stehe von selbst. Er war ganz schön voll, und auch ich war ziemlich betrunken.
Als die Musik endete, gingen wir wieder an die Bar, und ich forderte ihn zu einem Trinkwettkampf heraus. Wer sein Pint Snake Bite mit schwarzer Johannesbeere als Letzter leerte, musste die nächste Runde bezahlen. Er musste mich begutachtet haben, diesen schlaksigen Teenager mit 58 kg Körpergewicht, und dachte wohl, ich sei keine Konkurrenz für ihn. Er ahnte nicht, dass dies mein Kabinettstückchen war und ich einige Erfahrung darin hatte, Apfelwein hinunterzuschütten, nachdem ich während meiner Abiturzeit gelernt hatte, Männer zum Spendieren eines Drinks zu bewegen. Obwohl ihn seine Macho-Kumpane vom Rugby Club lautstark anfeuerten, schlug ich Mark knapp.
Über diese Niederlage kam er nie hinweg. Vielleicht hätte er sich in dem Moment lieber aus dem Staub machen sollen, doch stattdessen bot er mir an, mich zum Studentendorf, in dem ich wohnte, zu begleiten.
Zwei Wochen vergingen, bevor ich wieder etwas von ihm hörte. Nach unserer Trinkeinlage im Rugby Club hatten wir einander Gute Nacht gewünscht, ohne unsere Namen oder Adressen auszutauschen, wie es in den Tagen vor dem Handyzeitalter üblich war. Mark wusste immerhin, dass ich in einem Dorf mit hunderten Studentenbuden lebte, aber ich hatte keine Idee, wo er wohnte, und spürte auch nicht das Verlangen, ihm hinterherzulaufen. Glücklicherweise ergriff Mark die Initiative, kehrte zum Studentendorf zurück und klopfte wahllos an Türen, bis er meine Wohnung fand und bei einer Nachbarin eine Nachricht hinterlassen konnte.
Unser erstes Rendezvous begingen wir in einem örtlichen Pub. Marc erwartete das Mädchen mit den langen dunklen Haaren und dem »entzückenden Knackarsch«, das er im Rugby Club kennengelernt hatte. Als wir uns trafen, sah ich jedoch aus, als sei ich der Zeichentrickserie Help … It’s the Hair Bear Bunch entsprungen, da ich mir in der Zwischenzeit diese furchtbaren Dauerwellen hatte machen lassen, die gerade modern waren. Hübscher machte mich das nicht.
Mark bekam also seine zweite Chance, sich zu empfehlen und das Weite zu suchen. Doch er tat es nicht, was ich als gutes Zeichen nahm. Wir verplauderten den Abend und lernten einander besser kennen. Mark war Metallurg, einer dieser intelligenten, wissenschaftlichen Typen, die sich in einem der Stahlwerke von Sheffield mit Metallen beschäftigten. Mit einem Kollegen teilte er sich ein Haus in der Stadt.
Unter der bizarren Frisur entdeckte Mark ein Mädchen, das als Kindermädchen in Amerika gewesen war, jetzt aber wieder in Sheffield lebte, und das Betriebswirtschaft mit dem Ziel studierte, irgendwann eine eigene Kindermädchen-Agentur zu besitzen. Neben unserer Vorliebe für Rugby und der Fähigkeit, Pints mit Snake Bite in Rekordzeit hinunterzuschütten, teilten wir das Interesse an Freiluftaktivitäten wie Mountainbike fahren, Wandern und Skilauf.
Am Ende des Abends fragte mich Mark, ob ich ein halbes Bett oder die Hälfte des Fahrpreises für die Heimfahrt im Taxi haben wolle, dieser Geizkragen! Das machte ihn mir noch sympathischer. Er respektierte meine Unabhängigkeit und ging nicht davon aus, dass ich gleich mit ihm ins Bett springen wollte. Wie das Leben so spielt, wählte ich weder das halbe Bett noch das Taxi, sondern schlief auf Marks Badezimmerboden ein.
Im Laufe der nächsten fünf Jahre wuchs unsere Beziehung als Freunde und Liebespaar. Wir fühlten uns in der
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