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So nah bei dir und doch so fern

So nah bei dir und doch so fern

Titel: So nah bei dir und doch so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Allatt
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Lise, hol irgendjemand!«, erwidert Mark, damit India eine andere Nachbarin um Hilfe bittet, die zufällig Krankenschwester ist. Während er mich im Arm hält, wächst die Angst in seiner Stimme. Mark, dieser für gewöhnlich ruhige, vernunftgeleitete »Alles-ist-schwarz-oder-weiß-Typ«, gerät in Panik. Momentan sieht er nur schwarz.
    »Kate, hörst du mich? Was ist passiert? Alles in Ordnung mit dir, Kate?« Lise ist hier. Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit inzwischen verstrichen ist. Mir ist heiß, ich möchte nach irgendetwas greifen, mit dem ich mir Luft zufächeln kann, doch ich kann mich nicht rühren. Meine Augen sind angstvoll aufgerissen wie bei einem Kaninchen, das vom Scheinwerferlicht angestrahlt wird. Nicht einmal meine Atmung kann ich noch kontrollieren, und ich ringe nach Luft. Ich höre meine eigenen verzweifelten Hechelgeräusche. Lise schickt India fort, um einen Ventilator zu holen, und sie weist Mark an, sofort den Notarzt zu alarmieren.
    Als Erstes erscheint ein Sanitäter. Er hört meine Herztöne ab und misst meinen Blutdruck, dann greift er zum Funkgerät, um Unterstützung anzufordern, einen Rettungswagen für eine »Frau in Notlage«. Ich warte. Mark und Lise befolgen den Rat des Sanitäters und legen mir feuchte Tücher auf die Stirn, um mich zu kühlen. Doch ich fühle mich nach wie vor, als befände ich mich im Glutofen der Hölle. Vielleicht ist dies die Strafe für meine Lebensweise, bei der ich einen Haushalt führe, gleichzeitig eine eigene Firma betreibe und die Kinder nach der Schule zu ihren Vereinen und sonstigen Aktivitäten kutschiere. Möglicherweise bekomme ich hier auch die Quittung für mein anspruchsvolles Berglauf-Programm.
    »Hat sie einen Anfall?«, fragt Mark den Sanitäter.
    »Das ist kein Anfall«, lautet die ernste und knappe Antwort.
    Minuten verstreichen, und wir warten. Ich fühle mich immer schwächer werden. Der Sanitäter greift wieder zu seinem Funkgerät. Er lässt keinerlei Entschuldigung gelten: »Schickt mir den erstbesten Wagen, und zwar auf der Stelle!« Selbst er scheint inzwischen in Panik zu geraten.
    Es ist ernst: Mark weiß, dass es ernst ist, und auch ich weiß, dass es ernst ist. Der Sanitäter sagt Mark, er solle eine Reisetasche mit den nötigsten Dingen für mich vorbereiten, da ich sie brauchen würde. Ich höre Marks Schritte auf der Treppe, und er kommt mit meinen Laufklamotten zurück, dieser Volltrottel. Ich weiß, dass ich es liebe, bis zum Umfallen zu laufen, aber Joggingsachen sind in diesem Moment wirklich das Letzte, was ich brauche.
    Zwei Männer in Grün kommen und heben mich auf eine Bahre mit Rollen. Während ich aus meinem Haus gefahren werde, denke ich: Wo sind die Kinder? Ich hoffe nur, dass sie mich nicht in diesem Zustand sehen. Danach frage ich mich, ob ich einen zueinander passenden Schlüpfer und BH trage.
    Als ich hinten in den Rettungswagen geschoben werde, spüre ich, wie auf der Innenseite meines linken Oberschenkels etwas hinabträufelt. Na toll, jetzt habe ich mir auch noch in die Hose gemacht. Wie werde ich jemals mit dieser Peinlichkeit leben können? Mark hält meine Hand, die Sirene heult, und ich gleite in eine Bewusstlosigkeit, als habe jemand eine Pausentaste für mein Leben gedrückt.

KAPITEL 1

Intensivstation
Mittwoch, 10. Februar 2010
    O h Scheiße! Was ist denn jetzt passiert?, war mein erster Gedanke, als ich wieder zu Bewusstsein kam. Ich lebte. Gerade so. Drei Tage lang hatte ich im Koma gelegen. Um mich herum konnte ich das Geräusch von allen möglichen Geräten und Maschinen der Intensivstation hören. Man hatte mich zusammengeschnürt wie einen Truthahn. Nie zuvor hatte ich so viele Schläuche auf einmal gesehen. Sie hingen in meiner Nase, steckten in meinen Armen, und am schlimmsten war dieser Monsterschlauch, den man mir in den Mund gestopft hatte. Ich wollte ihn ausspucken, doch außer meinen Augenlidern konnte ich nichts bewegen.
    Was ich nicht wahrnahm, war die Tatsache, dass der Schlauch in meinem Mund mit einer Maschine verbunden war, die die Atmung für mich besorgte. Das ließ mich sabbern, was niemanden gut aussehen lässt, insbesondere keine prächtige junge Mutter wie mich. Im Moment fühlte ich mich allerdings alles andere als prächtig, ich war verängstigt und entsetzt.
    Ich konnte mich nicht rühren, doch mein Verstand arbeitete normal und machte Überstunden. So etwa muss es sein, wenn man lebendig begraben wird, dachte ich. Nur war dies noch schlimmer, da ich sehen konnte,

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