So schoen Tot
Entsetzt schüttele ich den Kopf. Nein, ich will das nicht mehr. Und ich will auch kein Softie sein. Denn wenn man mal ehrlich ist, verhält es sich doch so: Frauen wollen keine Softies. Frauen stehen auf harte Kerle. Auf Krimiautoren zum Beispiel. Auch Sylvia Kaminski stand bislang nicht auf Softies wie mich, da kann sie mir noch so sanft über den Arm streichen. Aber das wird sich nun ändern. Ich werde mich ändern.
»Denk doch bitte noch mal über alles nach«, höre ich Sylvia sagen, doch dafür ist es zu spät.
2.
»Willkommen im Spa-Hotel Stralsund, Herr Krakow. Hatten Sie eine gute Anreise?« Eine schätzungsweise zwanzigjährige Rezeptionistin, die laut Schild an ihrer Uniformjacke Anna-Lena heißt, empfängt mich mit freundlichem Lächeln. Ihre Zähne sind von jugendlichem Weiß und stehen entzückend schief. Fast schade, dass ihr die gute Laune bald vergehen wird, denke ich. Wenn alles nach Plan läuft, würde dieses Hotel nämlich in spätestens drei Tagen Schauplatz einer Mordserie werden, wie sie die Welt so schrecklich noch nicht erlebt hat. Fast habe ich Mitleid mit Anna-Lena, doch ich reiße mich zusammen. Ich bin Victor A. Krakow, ich kenne keine Gnade.
Während meiner Diskussion mit Sylvia Kaminski in der letzten Woche habe ich irgendwann die Aussichtslosigkeit meiner Lage erkannt. Ein Schmonzetten-Troubadour war ich in ihren Augen. Einer, dem sie außer romantischem Fabulieren nichts zutraute. Weder einen spannenden Plot noch – das lag ja wohl auf der Hand –, dass er es ihr im Bett so richtig besorgen könnte. Das versprach sie sich aber mit Sicherheit von einem Krimiautor. Der war männlich dominant, mit allen Wassern gewaschen, kannte keine Tabus und konnte mit einer Walther PPK genauso souverän hantieren wie mit einem taiwanesischen Buschmesser. Ein echter Kerl eben. Mich würde sie erst mit anderen Augen sehen, wenn ich ihr ein 1a-Krimimanuskript vorlegte. Eines, in dem das Blut nur so spritzte. Das wäre der Wendepunkt! Mein Aufstieg in die Liga der harten Kerle. Schluss mit dem Lavendel-Gesülze, fort mit dem Softie-Image!
Einen Pluspunkt hatte ich zum Glück bereits gesammelt: Trotz aller Kritik konnte ich zwischen Sylvias Worten heraushören, dass ihr die Idee meines Manuskripts – Mord im Wellnesshotel – gefallen hatte. Nur war es ihr eben nichtspannend genug, was aber irgendwie auch kein Wunder ist. In puncto Morden fehlt mir nun mal einfach die Routine. Und mit Leichen kenne ich mich schon gar nicht aus. Genau genommen sind die einzigen beiden Toten, die ich bislang gesehen habe, meine Großmutter Elli und Blanca, die Katze meiner Nachbarin. Nicht gerade geeignete Voraussetzungen für einen Serienkiller. Doch daran wollte ich arbeiten. Was mir fehlte, waren lediglich ein paar praktische Erfahrungen, und die würde ich sammeln, indem ich die ganze Geschichte, so wie ich sie ausgedacht hatte, wirklich geschehen ließ. Später müsste ich dann nur alles haargenau aufschreiben, hier und da noch etwas ausschmücken und fertig wäre das Manuskript. Spannungsgeladen, blutrünstig und so authentisch wie das Tagebuch von Charles Manson.
Problem bei der Sache ist nur: Ich habe lediglich fünf Tage Zeit. Dann will Sylvia entweder ein überarbeitetes Krimimanuskript oder aber das Konzept für einen neuen Lavendel-Roman auf dem Tisch haben. Straffes Timing für einen Dreifachmord, würde ich sagen. Andererseits sind drei Tote aber eine überschaubare Anzahl, die für einen Debütroman ausreichen sollte.
»Hier ist Ihr Zimmerschlüssel, Herr Krakow. Sie wohnen im dritten Stock, in der Bachblüten-Suite.« Anna-Lena sieht mich an, als könnte sie meine Gedanken lesen und hoffte nun, mich mittels Blütenduft von meinem Anliegen abbringen zu können. Doch dafür ist es zu spät. Mein Entschluss steht fest. Alles ist geplant, bis ins Detail durchdacht und in meinem kleinen Heft ausführlich notiert. Einzig die Identität der Opfer steht noch nicht fest. Spontan entscheide ich aber, Anna-Lena am Leben zu lassen. Noch kann ich mir derartige Sentimentalitäten erlauben.
»Dies ist das Formular, auf dem Ihre Behandlungen notiert sind«, sagt die mutmaßlich Überlebende des bevorstehendenMassakers und reicht mir einen Zettel. »Genau wie Sie es telefonisch bestellt haben.« Sie wirft einen staunenden Blick auf meine Termine. »Sie haben sich aber etwas vorgenommen, Herr Krakow. Vier Ihrer Anwendungen finden bereits am heutigen Nachmittag statt.«
Ich nicke stumm.
Anna-Lena
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