So schoen und kalt und tot
zwei kräftige Hände um ihren Hals legten. Sie atmete schwer, versuchte mühsam, nicht die Sinne zu verlieren. Der Druck wurde immer heftiger, ihr wurde schwindelig. Verzweifelt wollte sie sich losreißen. Doch seine Hände waren wie ein Schraubstock.
„Bitte nicht…“, brachte sie gerade noch hervor, dann schwanden ihr die Sinne. Sie glitt in eine Bewusstlosigkeit, aus der es wohl kein Erwachen mehr geben würde.
Ein Hustenreiz holte Melanie in die Gegenwart zurück. Mit einem Schmerzenslaut richtete sie sich auf und keuchte. Endlich gelang es ihr, die Augen zu öffnen. Sie befand sich in ihrem Bett auf Rochester Castle, und es war Nacht.
Schreckensbleich kam Alanis ins Zimmer gelaufen. „Was ist mit dir, Mel?“, fragte sie ängstlich.
Melanie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass sie nur geträumt hatte. Noch immer hatte sie das Gefühl, als würden die Hände von Charles Patterson um ihren Hals liegen und sie zu erwürgen versuchen.
„Ich hatte einen Alptraum“, keuchte sie und fasste sich an den Hals. „Plötzlich war ich auf Glannagan Castle. Ich konnte nichts dagegen tun, musste auf diesen Mann zugehen und mich ihm zeigen. Er nannte mich Barbara und meinte, ich sei tot.“
„Barbara, die verstorbene Frau von Mister Patterson“, murmelte Alanis vor sich hin.
„Woher weißt du das?“
„Benjamin hat mir davon erzählt“, antwortete Alanis verwirrt. „Warum träumst du so etwas?“
Melanie dachte eine Weile nach, dann zuckte sie die Schultern. „Es war grauenvoll. Überall war es düster, und dann sah ich ihn – Charles Patterson. Er stand vor einem Bild und sagte etwas, das ich nicht verstehen konnte.“ Sie strich ihre langen blonden Haare zurück.
„Bitte hör auf“, schluchzte Alanis und warf ihre Arme um die Schwester. „Ich habe Angst. Was ist nur mit uns geschehen? Ich versteh es nicht. Als Mum noch lebte war alles gut. Seit sie tot ist, sind wir auf der Flucht. Ich weiß es genau, Mum wurde ermordet. Sie will, dass wir ihren Mörder finden. Deshalb sind wir hier.“
Melanie zuckte zusammen. „Was sagst du da? Es war ein Unfall. Das hat die Polizei selbst gesagt.“
„Mum wurde ermordet, und ihr Mörder sucht uns jetzt.“
„So ein Unsinn.“ Energisch machte sich Melanie von ihrer Schwester los. „Was du immer redest. Hör endlich auf damit, solche Geschichten zu erzählen. Wir haben hier eine Heimat gefunden, und wenn ich nicht mehr für den Laird arbeiten darf, dann werde ich in einer anderen Stadt etwas Neues finden, verlass dich drauf.“
Alanis schüttelte den Kopf. „Das wird nicht mehr nötig sein. Wir haben hier unser Schicksal gefunden.“ Ihre Stimme klang so monoton, als hätte sie die Worte auswendig gelernt.
„Ich verstehe nicht. Du sprichst in Rätseln und das wird immer schlimmer mit dir.“ Obwohl Melanie noch immer dieses Grauen in sich verspürte wie während des Alptraums, merkte sie auch, dass sie wieder müde wurde. „Lass uns schlafen, Liebes“, bat sie. „Wir reden morgen noch mal drüber.“
Alanis nickte. „Wie du meinst. Es hilft ohnehin nichts mehr.“ Sie erhob sich und ging mit gesenktem Kopf in ihr Zimmer zurück. „Reden wir morgen.“ Mit leisem Knacken fiel die Trenntüre ins Schloss.
Melanie saß noch immer aufrecht in ihrem Bett. Ihr Herz hämmerte noch immer gegen die Rippen und sie hatte Mühe, ihren raschen Atem zu beruhigen. Sie hörte, wie das Blut in ihren Ohren rauschte, und die Angst vor einem erneuten Alptraum hinderte sie daran, wieder einzuschlafen.
Dann dachte sie wieder daran, dass sie am nächsten Nachmittag Chester treffen wollte. Der junge Ire hatte sie um ein Wiedersehen gebeten und sie hatte mit Freuden zugesagt, denn er wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf.
Langsam glitt sie in ihre Kissen zurück, und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen schlief sie wieder ein. Kein schlimmer Traum störte mehr ihren Schlaf, kein Geräusch weckte sie auf.
Nur Alanis lag nebenan in ihrem Bett und weinte. Sie spürte, dass der wirkliche Alptraum jetzt erst begann.
* * *
Chester Flannagan wartete schon seit fast einer Stunde. Wie immer hatten sie als Treffpunkt den Friedhof von Glannagan ausgewählt. Doch heute schien Melanie wohl etwas dazwischen gekommen zu sein.
Enttäuscht wollte er schon gehen, da hörte er ihre Stimme. Sie rief seinen Namen und schien ziemlich außer Atem zu sein. Er
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