So schoen und kalt und tot
ihr Glück zerstören könnte, die blieb.
* * *
Die Umgebung war ihr fremd.
Düster und drohend stand der niedrige Wald vor ihr, der voller Unterholz war. Überall knackte es, und unbekannte Tierlaute zerrissen die unerträgliche Stille. Melanie wollte fliehen, doch wohin sie sich auf wendete, es bot sich ihr überall dasselbe Bild.
Stöhnend drehte die Schlafende den Kopf von einer Seite auf die andere, doch es gelang ihr nicht, aufzuwachen. Dabei wusste sie auch in ihrem Traum, dass es nicht die Realität war, was sie gerade erlebte.
„Nicht… nein, bitte nicht…“ Schweiß lief über ihr Gesicht, ihre Hände fuhren über die kühle Bettdecke, krallten sich in dem groben Stoff fest. Sie wollte nur weg von hier, fort aus dieser düsteren Umgebung und aus diesem schrecklichen Alptraum.
Sie begann zu rennen, einfach nur weg, gleich, in welche Richtung. Vom Regen schwere Äste klatschten ihr ins Gesicht, doch davon ließ sie sich nicht aufhalten.
Der Weg wurde ein wenig breiter und steiler. Sie atmete schwer, hatte das Gefühl, es nicht schaffen zu können. Schwäche lähmte ihre Beine, doch ihr Verstand arbeitete scharf.
Endlich hatte sie alles Gestrüpp und den niedrigen Wald hinter sich gelassen. Der Weg wurde noch breiter, und man konnte Spuren von Wagenreifen erkennen. Dieser Weg war Melanie bekannt, sie war ihn schon einmal gegangen.
Plötzlich wusste sie, wo sie sich befand. Sie ging die Straße nach Glannagan Castle.
Abrupt blieb sie stehen. Nein! Das durfte nicht sein. Was sollte sie in diesen dunklen Mauern, von denen ihr Gefahr drohte?
Sie atmete heftig, war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Ratlos schaute sie sich um. Wo war Chester geblieben? Vorhin noch hatte sie ihn reden hören, und jetzt war er weg, einfach gegangen. Oder war ihm etwas passiert? Hatte ihn das Dunkle geholt?
Melanie wollte fliehen, doch eine unangenehme Kraft zog sie gnadenlos weiter. Das düstere Castle kam immer näher. Melanie war fast am Verzweifeln. Sie wusste, dass sie der Gefahr direkt in die Arme lief, aber sie hatte keine Möglichkeit, es zu verhindern.
Dann stand sie vor dem Eingangstor. Es war nicht abgeschlossen. Sie tippte es mit der linken Hand an, es ließ sich ganz leicht öffnen. Lautes Knarren zerriss die Stille.
Eine düstere Halle tat sich vor ihr auf. Ohne zu überlegen trat Melanie ein. Sie schaute sich um und wusste plötzlich, wohin sie gehen musste. Die Treppe war breit und mit dicken Teppichen belegt, die jedes Geräusch verschluckten.
Vorsichtig schlich sie nach oben. Ein Gang, nur notdürftig mit kleinen Öllämpchen beleuchtet, tat sich vor ihr auf. Ähnlich wie auf Rochester Castle hingen an den Wänden düstere Gemälde verblichener Ahnen, die ernst, fast stumpfsinnig aus ihren Rahmen blicklos ins Leere starrten.
Melanie spürte, wie sich in ihr eine grenzenlose Traurigkeit ausbreitete, die sich wie eine eiserne Klammer um ihren Brustkorb legte. Sie atmete tief ein, doch die Klammer lockerte sich nicht.
Da fiel ihr Blick auf die einsame Gestalt am Ende des Ganges. Reglos stand sie da und starrte ein Gemälde an, das sie von ihrer Position aus nicht erkennen konnte.
Charles Patterson. Sie erkannte ihn sofort, ohne ihn je zuvor gesehen zu haben.
Langsam ging sie auf ihn zu. Sie hatte plötzlich keine Angst mehr. Mitleid erfüllte sie mit dem Unglücklichen, der nichts mehr hatte im Leben als seine Erinnerungen. Wie Gespenster lauerten sie in allen Ecken, bereit, jeden Augenblick hervor zu springen und ihn in ihren Bann zu ziehen.
„Charles“, sagte sie leise.
Er drehte den Kopf zu ihr. „Du bist zurück gekommen, Barbara“, murmelte er mit leerer Stimme. „Jetzt ist es zu spät. Du hättest früher kommen sollen.“
Sie trat noch näher, konnte ihn schon fast spüren. Ihr Blick fiel auf das Bild, es zeigte sie, Melanie. Doch mit einem Mal war sie gar nicht mehr Melanie sondern – Barbara, die tote Frau dieses Mannes. Sie dachte mit deren Gedanken und sah mit deren Augen. Sogar ihre Stimme war die Stimme von Barbara Patterson.
Melanie zuckte zurück, wollte fliehen, doch der Mann packte sie am Arm. „Warum bist du zurück gekommen?“, fragte er mit harter Stimme. „Du hast hier nichts mehr verloren. Du bist tot. Geh zurück, wo du hergekommen bist. Aber nimm mich mit, nimm mich endlich mit. Ich halte es nicht mehr aus.“
Sie spürte, wie sich
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