So schoen und kalt und tot
dicke Striemen am Hals, rot und sogar ein wenig blau, die teilweise aussehen wie Fingerabdrücke. Versuch dich zu erinnern, Melanie, ich bitte dich. Da stimmt etwas nicht. Bist du sicher, dass du das alles nur geträumt hast?“ Er war blass bis zum Haaransatz, so sehr regte er sich auf.
„Ich bin sicher“, bestätigte sie. „Ich habe diesen düsteren Traum wirklich nur geträumt, denn als ich verzweifelt flüchten wollte, hat Alanis mich aufgeweckt.“
„Dann verstehe ich nicht…“ Chester war sichtlich verwirrt. Noch einmal untersuchte er ihren Hals und schüttelte den Kopf. „Vielleicht sind es auch nur Kratzspuren von einem Schal oder einer Bluse“, räumte er dann ein. Doch so richtig überzeugt war er nicht.
Melanie wusste, dass diese Erklärung nicht stimmen konnte, denn sie trug weder Schal noch Bluse so weit oben am Hals. Aber das sagte sie ihm nicht.
* * *
Der weitläufige Park von Rochester Castle lag um diese Zeit verlassen da. Nur ein paar Laternen verbreiteten mit ihren flackernden Ölflämmchen ein spärliches Licht. Es hatte den ganzen Nachmittag geregnet, und die Äste der Bäume, die gerade ihr erstes zartes Grün bekommen hatten, hingen schwer nach unten.
Laut tropfte das Wasser auf den Weg. Es raschelte im Gebüsch, leises Quietschen deutete darauf hin, dass es hier von Kleingetier nur so wimmelte. Immer wieder huschten Schatten über den Boden, deren Erzeuger man nicht sehen konnte.
Plötzlich löste sich von einem der dicken Bäume eine dunkle Gestalt. Sie war groß und hager, und der weite schwarze Mantel, den der Unbekannte trug, schien viel zu groß zu sein für den mageren Körper.
Einen Augenblick blieb er stehen. Sein Brustkorb hob und senkte sich in rascher Folge. Offensichtlich war er sehr aufgeregt. Dann setzte er sich wieder in Bewegung und lief ein Stück den Weg entlang in den Park hinein. Wieder blieb er stehen und schaute sich um, als müsse er sich erst orientieren. Dann rannte er weiter.
Offensichtlich kannte der Fremde sich hier aus, denn er steuerte zielstrebig auf einen besonderen Flecken zu. Bald hatte er ihn gefunden. Es war ein Ort, der einem normalen Menschen, zumindest zu dieser späten Stunde, eine Gänsehaut verursacht hätte.
Der Mann jedoch blieb stehen und schaute auf die vielen kleinen Blumenbeete, als wollte er ergründen, was jedes einzelne zu bedeuten hatte. Schließlich stand er vor einem größeren frischen Hügel, auf dem noch keine Blumen waren.
„Habe ich dich gefunden“, murmelte er kaum hörbar. „Ich wusste doch, dass er dich nach hier bringen würde.“ Ein leises freudloses Lachen war zu hören, das jedoch gleich wieder verstummte.
In der Hand hatte der Mann ein paar Blumen, deren Farben man in der Dunkelheit jedoch nicht erkennen konnte. Er legte sie sorgfältig, als wollte er jede Bewegung auskosten, auf den Hügel. „Schlaf gut, Countess“, sagte er müde. „Ich wollte das nicht. Bitte verzeih mir.“
Eine Zeitlang stand der Dunkle reglos vor dem Hügel, ganz in Gedanken versunken. Inzwischen hatten sich die schweren Regenwolken verzogen und ein blasser Mond stand am schwarzen Nachthimmel. Kühl schaute er auf den Mann und tauchte den Park in ein fahles Licht, das allem ein noch gespenstischeres Aussehen verlieh.
Gewaltsam musste sich der Mann von dem Hügel losreißen. Er drehte sich hastig um und schlurfte den Weg mit müden Schritten zurück, den er gekommen war. Es schien, als würde er eine zentnerschwere Last auf seinen Schultern tragen und schier darunter zusammenbrechen.
Endlich hatte er das Tor erreicht, das abends immer abgeschlossen wurde. Gewaltsam wollte es öffnen, aber es ging nicht. Verzweifelt packte er die Eisenstäbe und rüttelte an ihnen, doch es half nichts. Er war im Park von Rochester Castle eingesperrt.
Einen Moment lang sah es so aus, als wollte er seine ganze Kraft zusammennehmen und die Stäbe auseinander drücken, damit er zwischen ihnen hindurch konnte. Aber er schaffte es nicht. Da sank sein Kopf auf die Hände, die sich noch immer am Torrahmen festgekrallt hatten. Seine Schultern zuckten, der ganze Körper bebte. Er schluchzte.
Erst als der Mond sich hinter dunklen Wolkenbergen versteckt hatte, schlich der Dunkle zurück in den Park. Seine Schritte waren, wenn überhaupt, noch müder, noch schwerer. Dann stand er an der Mauer des Castles. Er blieb stehen und blickte nach oben. In einem der Fenster
Weitere Kostenlose Bücher