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So schoen und kalt und tot

So schoen und kalt und tot

Titel: So schoen und kalt und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Withcomb
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leise ein Kinderlied zu summen.
       Tränen liefen über die Wangen der Frau, denn die Furcht, dieses zauberhafte Wesen wieder zu verlieren, war unerträglich. „Wer immer mich hört, bitte lass mir mein Kind. Ich liebe es so sehr.“ Sie schluchzte auf und begann haltlos zu weinen.
       Das Mondlicht erfasste eine schlanke Gestalt, die sich aus dem Schatten des Zimmers löste. Sie war zart gebaut, hoch gewachsen, und das lange Haar schimmerte dunkel und reichte bis fast an die Hüften.
       „Elizabeth wird nicht sterben“, flüsterte das Wesen und legte eine Hand auf die Schulter der Verzweifelten. „Beruhige dich und bewahre dir deine Kräfte. Du wirst sie brauchen, um dieses Kind zu versorgen.“
       Das Schluchzen verstummte langsam. Daisy nahm die Hände vom Gesicht und schaute hoch. „Alanis“, sagte sie verwundert. „Du bist wieder da?“
       Das Mädchen lächelte, doch dieses Lächeln lag nicht um ihren Mund sondern schien aus ihren Augen zu kommen. „Nein“, kam die leise, kaum hörbare Antwort.
       Verwundert schüttelte Daisy den Kopf. „Ich sehe dich doch.“ Sie hob die Hand und wollte nach ihr greifen.
       Alanis wich zurück. „Mach dir keine Sorgen wegen Elizabeth. Sie wird überleben, denn sie hat ein starkes Herz. Hilf Melanie, sie wird dich brauchen.“
       „Was meinst du damit?“
       Das Mädchen sagte nichts. Es schien, als würde ein leiser Wind ihr Haar bewegen und ihr langes helles Kleid, das bis fast an den Boden reichte.
       So hatte Daisy die Dreizehnjährige noch nicht gesehen. Sie erhob sich mühsam. „Komm, ich bring dich zu deiner Schwester. Sie wird glücklich sein, dich wieder zu haben.“
       „Melanie ist nicht hier. Sie ist in Glannagan bei Chester, und dort wird sie auch bleiben. Sag ihr, dass ich Chester sehr gern hab und dass er der richtige Mann ist für sie. Sag es ihr und vergiss es nicht, ich bitte dich.“
       Daisy rieb sich die Augen. Auf einmal hatte sie so ein seltsames Gefühl, als würde sie das alles nur träumen, weil es so unwirklich war. Doch als sie die Hände wieder sinken ließ war Alanis noch immer da. „Alle suchen dich“, sagte sie verwirrt.
       „Ich weiß“, murmelte das Mädchen traurig. „Ich kann es nicht ändern. Es ist zu spät.“
       „Wofür zu spät?“, fragte Daisy erschrocken. „Was ist denn los, Alanis? Wo warst du überhaupt?“
       „Es geht mir gut“, antwortete das Mädchen ausweichend. „Macht euch keine Sorgen, es ist alles in Ordnung. Am Tag meiner Beerdigung wird Thomas zu dir kommen. Du hast einen wunderbaren Mann, vergiss das nie“, bat sie eindringlich.
       In diesem Moment fing das Neugeborene an zu Greinen. Es war nur ganz leise, aber in dem Stimmchen war schon so viel Leben, dass Daisy glücklich lächelte. „Glaubst du wirklich, dass mein Kind es schaffen kann?“
       Alanis lächelte ebenfalls. „Elizabeth wird es schaffen“, antwortete sie. „Ich weiß es. Sie wird leben und sie wird eines Tages sehr wichtig sein.“
       „Das ist sie heute schon“, sagte Daisy und fasste nach dem winzigen Händchen ihrer Tochter. „Schau nur, wie zart sie ist. Sie…“ Die Frau wollte sich zu Alanis umdrehen, doch das Mädchen war weg. Einfach verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
       Daisy zuckte zurück. Hatte sie sich das nur eingebildet? Sie stand auf, obwohl sie sich noch ziemlich schwach fühlte. „Wo bist du, Alanis?“, fragte sie leise und spürte plötzlich Angst in sich aufsteigen.
       Nur Schweigen antwortete ihr. Doch es war ein gutes Schweigen, denn sie wusste nun, dass ihr Kind leben würde.
     
    * * *
     
       Es musste schon weit nach Mitternacht sein, als Melanie diesen schrecklichen Alptraum hatte. Sie sah sich selbst in einem dunklen Wald ohne Ausgang. Verzweifelt irrte sie zwischen all den Bäumen herum, und ihre Panik wurde immer größer. So sehr sie auch suchte, sie fand keinen Ausgang aus diesem Wald, der wie ein Labyrinth anmutete.
       Plötzlich entdeckte sie in der Ferne einen weißen Hund. Er saß auf einmal da und musterte sie unbeweglich. Sie wusste, dass sie ihn kannte oder zumindest schon gesehen hatte, aber im Traum wollte ihr nicht einfallen, woher.
       „Komm zu mir“, bat sie leise, aber das Tier rührte sich nicht. Da ging sie langsam weiter und hielt eine Hand ausgestreckt, um dem Hund zu signalisieren, dass von ihr keine Gefahr drohte.
       Endlich hatte sie ihn erreicht. Sie redete freundlich auf ihn ein und

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