So schoen und kalt und tot
ohne vom Pferd zu steigen.
Sie schüttelte traurig den Kopf. „Alanis muss etwas Furchtbares zugestoßen sein“, antwortete sie mit scheinbarer Ruhe. „Sie würde nie länger als unbedingt nötig von zuhause weg bleiben. Und dann auch nur, wenn sie vorher Bescheid gesagt hätte.“
„Das glaub ich Ihnen sehr gern. Ich werde jetzt noch einmal die Cottages abreiten und alle Leute befragen. Was werden Sie tun?“
„Wir suchen ebenfalls weiter. Bitte richten Sie Lady Angela aus, dass ich heute sehr spät kommen werde.“ Melanie konnte sich nicht vorstellen, ins Castle zurück zu kehren ohne zu wissen, was mit ihrer Schwester passiert ist.
„Ich werde meine Vermieterin fragen, ob sie dir für diese Nacht ihr Extrazimmer zur Verfügung stellt“, entschied Chester sofort. „Es wird vermutlich zu spät, bis wir von unserer Suche zurück sind. Ich dachte, wir dehnen es in Richtung Lairg aus. Was meinen Sie, Laird Ian?“
Der Mann, der noch immer auf seinem Pferd saß, nickte zustimmend. „Dann werde ich die andere Richtung nehmen“, sagte er. „Wir sehen uns dann morgen auf dem Castle.“ Er grüßte freundlich, dann ritt er davon.
Der Nachmittag verlief ebenso erfolglos wie der Vormittag. Es war bereits dunkel, als sie nach Glannagan zurückkehrten. „Ich hab keine Hoffnung mehr“, sagte Melanie müde. „Alanis muss tot sein, sonst hätten wir längst ein Lebenszeichen von ihr.“ Tränen liefen über ihr Gesicht, die sie verzweifelt wegwischte.
„Bitte Melanie, sei nicht so mutlos“, versuchte Chester sie zu trösten. Liebevoll nahm er sie in den Arm. „Wir werden morgen noch einmal los gehen. Einige Cottages am Moor haben wir noch nicht aufgesucht.“
„Das Moor.“ Melanie zuckte zusammen. „Was, wenn sie ins Moor gefallen und ertrunken ist?“
Dieser Gedanke war Chester auch schon gekommen, er hatte ihn nur nicht aussprechen wollen, weil er ihm selbst zu furchtbar erschien.
„Das wird sicher nicht der Fall sein“, meinte er ausweichend. „Wir dürfen den Mut nicht verlieren. Jetzt gehen wir erst einmal zu Bett, und morgen ist ein neuer Tag mit einer neuen Hoffnung.“
Die Hausfrau hatte ihnen noch einen Imbiss im Esszimmer auf den Tisch gestellt und eine Kanne frischen Tee. Inzwischen war sie längst ins Bett gegangen, denn sie musste morgens immer sehr bald aufstehen und das Frühstück für ihren Ehemann richten, der zeitig in die Stadt fuhr, wo er in einer Fabrik arbeitete.
„Denkst du, dass du schlafen kannst?“, fragte Chester, nachdem Melanie auf seine Bitte hin wenigstens ein Brot gegessen und eine Tasse Tee getrunken hatte.
„Ich weiß nicht.“ Melanie war sogar zum weinen zu müde. „Wenn ich an meine kleine Schwester denke und daran, was ihr womöglich passiert ist, dann weiß ich, dass ich kein Auge zutun werde.“
„Soll ich bei dir bleiben und im Sessel schlafen?“, schlug er vor.
„Nein, das musst du nicht. Aber danke dafür, Chester. Du bist ein wundervoller Mann, und ich bin dankbar dafür, dass du mir hilfst.“
„Ich liebe dich doch, Melanie. Da ist das ganz normal, dass man für einander da ist. Ich weiß, dass ich mich im umgekehrten Fall auch auf dich verlassen kann.“ Sanft nahm er sie in die Arme und schaute in ihre Augen.
„Ach Chester, ich liebe dich doch auch“, schluchzte die junge Frau. „Wenn ich nur sagen könnte, dass ich glücklich bin“, fuhr sie fort. „Aber ich bin so verzweifelt, so voller Angst, dass ich kein Glück empfinden kann, wenn ich in deine Augen schaue.“
„Das musst du nicht, nicht heute und nicht jetzt. Wir schaffen es, wie immer es weiter geht.“ Langsam näherte sich sein Gesicht dem ihren. Dann küsste er sie.
* * *
Ein unerträglicher Geschmack nach Blut weckte sie. Mühsam versuchte sie die Augen zu öffnen. Ihr Körper fühlte sich an, als würde er gar nicht mehr zu ihr gehören.
Endlich konnte sie etwas erkennen, Umrisse, eine winzige Öffnung, die ein Fenster sein sollte, Ratten, die sich auf dem schlichten Holztisch tummelten und quietschten. Ein einzelner Stuhl stand da, als wollte er verzweifelt versuchen, ein wenig Gemütlichkeit zu verbreiten.
Alanis wusste sofort wieder, was passiert war. Ihr Gedächtnis funktionierte noch einwandfrei, nur der Körper wollte nicht mehr mitmachen. Sie ahnte, dass sie einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte, der wohl einiges verletzt hatte.
Sie
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