So sinnlich kann die Liebe sein
rücksichtsvoll. Deshalb gelang es ihm auch immer, Frauen zu umgarnen ... mit kleinen fürsorglichen Gesten, die eigentlich nichtssagend waren.
Sicherlich war es klüger, auf der Hut zu bleiben, als solche Kleinigkeiten überzubewerten.
Wortlos öffnete sie ihre kleine grüne Handtasche und holte das Tuch heraus.
Nachdem sie es sich übers Haar gelegt und festgebunden hatte, bog Jake vom Parkplatz der Kirche ab, fuhr auf die schmale Landstraße und folgte der weißen Limousine, in der das Brautpaar saß.
Ein zartes weißes Blütenblatt hatte sich gelöst und lag auf ihrem Knie.
Geistesabwesend nahm sie auf und hielt es zwischen Daumen und Zeigefinger hoch in den Wind, der es forttrug.
Vielleicht hätte sie mit ihrer Jungfräulichkeit auch so umgehen sollen - sich einfach von ihren Gefühlen mitreißen lassen. Dann wäre es für sie nicht zu einer so weltbewegenden Frage geworden, ob sie Jakes Drängen nachgeben sollte oder nicht. Sie hätte mit ihm schla fen können, ohne sich Gedanken über die Folgen zu machen.
„Überlegst du gerade, ob du deine Perlen vor die Säue wirfst?"
Sie schnappte entsetzt nach Luft und musterte ihn von der Seite. Er blickte auf die Straße.
„Ich wusste ga r nicht, dass das zur Debatte steht."
„Aber sicher", widersprach er ihr gelassen und warf ihr einen tiefgründigen Blick zu. „Warum willst du dich nicht mit mir treffen, Annabel?"
„Das ist doch wohl meine Sache, oder?"
„Warum willst du es denn nicht?"
Sie spürte etwas wie Verachtung in seinem Ton, und das ärgerte sie.
„Ich habe kein Interesse daran, mit dir auszugehen."
„Warum nicht?"
Empört wandte sie sich ihm zu: „Was willst du, eine Liste deiner Unzulänglichkeiten?"
„Ja."
Sie schüttelte den Kopf, hin-und hergerissen zwischen Enttäuschung und dem Verlangen, ihn zu berühren. Sie konnte sich nicht erinnern, dass ein Mann sie jemals so stark angezogen hatte. Jetzt wünschte sie sich, sie hätte sich Tallia anvertraut. Dann wäre ihr diese kleine Fahrt erspart geblieben. Aber Tallia war so glücklich und glaubte an die Macht der Liebe, sie hätte sicher versucht, ihr einzureden, Jake werde sich bestimmt ändern, wenn er sie erst einmal näher kennen gelernt hatte.
Körperliche Anziehungskraft konnte ein sehr starker Magnet sein. Das erkannte Bel jetzt zu ihrem Erstaunen. Sie bemühte sich, dieser Kraft zu widerstehen. Doch natürlich konnte sie nicht die ganze Zeit schweigen.
„Deine Unzulänglichkeiten wirst du sicher kennen. Die brauche ich dir nicht erst aufzeigen", erklärte sie und hatte das Gefühl, etwas verloren zu haben.
„Nenn sie mir doch. Vor allem die Punkte, die dich am meisten stören", erwiderte er mit verführerisch weicher Stimme.
„Jake, was willst du wirklich?" forschte sie.
Er warf ihr einen kurzen Blick zu. Länger als eine Sekunde konnte er sich nicht von der kurvenreichen Bergstraße abwenden.
„Ich möchte mich mit dir treffen." Das schiebt er nur vor, weil er nicht offen heraus sagen kann, dass er mit mir schlafen will, dachte Bel. „Du willst das nicht.
Desha lb wüsste ich gern, warum nicht."
Zorn benebelte ihren klaren Verstand. Unwillkürlich brauste sie auf: „Ich habe den Eindruck, dass für dich treffen und mit einer Frau schlafen die gleiche Bedeutung hat."
Er legte einen anderen Gang ein. Seine Bewegung zeugte von kontrollierter Kraft. Oder lag das an ihrer unterdrückten Sexualität? Jakes körperliche Nähe wurde ihr überdeutlich bewusst. Ein elektrisierender Schauer überlief sie.
„Und für dich ist das nicht so."
„Nein, für mich besteht ein gewisser Unterschied zwischen diesen Beiden Dingen", erklärte sie in bestimmtem Ton.
Er nickte mehrmals und manövrierte den Wagen geschickt durch verschiedene Haarnadelkurven. Sie kamen höher und höher und hatten plötzlich eine herrliche Aussicht auf die Kirche unten im Tal, die von Bäumen umstanden war. Daneben erstreckten sich die Felder und Obstwiesen kleiner Farmen. Zwischen den Bäumen oberhalb von ihnen schimmerte die weiße Brautlimousine hindurch.
„Hast du denn eine Menge Erfahrung in der Hinsicht, Bel?" fragte er in dem gleichen ruhigen Ton wie zuvor.
Also hatte er es nicht erraten. Ob er wohl schockiert wäre, wenn sie es ihm gestände? „Nicht besonders viel."
„Das dachte ich mir. Denn sonst hättest du bemerkt, dass zwischen diesen Beiden Dingen für uns kein Unterschied besteht. Nicht etwa, weil ich das denke, sondern weil einer von uns wie Kerosin ist und der andere wie
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