Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
Vom Netzwerk:
ist. Von dir oder von Joe. Sonst gab es niemanden, falls es das ist, was dir Sorgen bereitet«, erklärte ich, nachdem sie verschwunden war.
    Er sah klein und verängstigt aus.
    »Aber ich würde auf dich wetten«, fügte ich hinzu.
    Er wischte sich über die Stirn, nahm die Brille ab und begann sie mit einer Serviette zu polieren.
    »Hör zu, Steinberg, das hier ist nicht dein Problem, okay? Mach dir deswegen keine Sorgen. Ich kriege das auch allein hin. Es ist in Ordnung, ich schaffe das schon.«
    Er unterbrach seine Tätigkeit und tastete nach meiner Hand. Schließlich setzte er die Brille wieder auf.
    »Oh, Caroline. Ich wünschte, es wäre alles anders.«
    Das wünschte ich ebenfalls. Ich wünschte, es wäre alles anders gekommen.
    »Ist schon gut« beruhigte ich ihn. »Ich komme klar. Wir kommen klar, ich und das Baby.«
    Ich und das Baby – diese Worte hatte ich noch nie ausgesprochen. Wir fühlten uns wie eine unschlagbare Einheit, wenn auch eine etwas einsame.
    »Oh, Caroline«, wiederholte er. »Es tut mir so leid.«
    »Weißt du was? Mir nicht. Mir tut es überhaupt nicht leid. Ich werde mich um dieses Kind kümmern. Und zwar anständig. Es wird ein sehr glückliches Kind werden.«
    Ich spürte einen Kloß im Hals, während er nur verdattert nickte.
    »Ich werde dir geben, was ich kann.«
    »Das ist nicht so wichtig. Eigentlich wollte ich es dir ja gar nicht sagen. Und erzähl Megan nichts davon.«
    Er sah traurig aus, tieftraurig. »Die wievielte Woche?«, fragte er einige Momente später.
    Ich hörte die Zärtlichkeit in seiner Stimme. Mit Babys kannte er sich aus.
    »Dreizehnte.«
    Er lächelte. Wahrscheinlich stellte er sich die kleine Krabbe gerade bildlich vor. »Darf ich mal anfassen?«
    Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Ich kämpfte mit den Tränen.
    »Ja.«
    Er setzte sich auf den Stuhl neben mir. Ich nahm seine warme Hand und legte sie auf meinen Bauch. Schweigend saßen wir einige Momente lang da. Seine Hand ruhte auf meinem Baby.
    »Weiß Joe es?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf.
    Es gab nichts mehr zu sagen. Ich rückte von ihm ab. Es war schwerer, als ich gedacht hatte. Schließlich hatte ich ihn geliebt. Als ich ihn zum Abschied küsste, rollte eine Träne über seine Wange. Sie blieb an meinen Lippen hängen. Ich trug seine salzige Träne in meinem Mund nach Hause und hoffte, sie möge mein Baby erreichen.

9
    An diesem ersten Abend in Boulogne suchte ich mir ein Hotel. Zwar reihte sich an der Uferpromenade eins ans andere, aber dieses eine stach besonders hervor: Durch das Fenster am Eingang sah ich einen riesigen Fernseher hinter der Rezeption, bei dessen Anblick mich ein warmes, tröstliches Gefühl durchströmte und meine Angst verebbte. Völlig fasziniert von den glücklichen Gesichtern und klatschenden Händen starrte ich auf den Bildschirm. Das Publikum lachte über einen Mann im Anzug, der pausenlos grinste und mit hochgezogenen Brauen eine Frau musterte, die halb nackt vor einer Reihe von Staubsaugern und Sodasiphons stand. Ich hätte den beiden ewig zusehen können.
    Schließlich ging ich hinein. Zum Glück sprach die Frau, die sich offenbar nicht im Geringsten über die Sendung amüsierte, ein paar Brocken Englisch, so dass ich mir die Mühe mit meinem amerikanischen Akzent ersparen konnte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie etwas merken würde, außerdem hatte ich den Entschluss gefasst, dass Lorrie Fischer in England aufgewachsen war.
    Auf der Fähre hatte ich einen Teil meiner Dollars in französische Francs gewechselt und legte sie nun auf den Tresen, damit die Frau mir zeigen konnte, wie viel eine Übernachtung kostete. Nervös sah ich zu, wie sie meinen Pass an sich nahm und in einer Kassette einschloss, doch sie winkte beruhigend ab. Ich hatte allerdings den Verdacht, sie könnte mit der Polizei und den Schäferhunden unter einer Decke stecken, deshalb beobachtete ich mit Argusaugen, wo sie die Kassette verstaute und den Schlüssel dazu aufbewahrte, nämlich in ihrer Tasche.
    Danach folgte ich ihr, als sie mit raschelndem Rock die Treppe hinauf zu meinem Zimmer ging, während sie ununterbrochen mit heiserer, beinahe männlich klingender Stimme auf mich einredete. Das französische Wort für Zimmer lautet chambre ; es könnte vom lateinischen camera abgeleitet worden sein, denn ich wusste, dass die ersten Kameras aus kleinen schwarzen Kästen bestanden hatten und damit gewissermaßen viereckige Räume darstellten. Es könnte aber auch aus dem

Weitere Kostenlose Bücher