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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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Linsen.«
    Er überlegte einen Moment. »Weiche.«
    Was soll’s, mir stand der Sinn nach einem Abenteuer. »Na gut«, sagte ich und stieg ein. »Aber ich gehe nicht mit dir ins Bett!«
    Er setzte sich neben mich. »Habe ich irgendwas von Sex gesagt?«
    Jede Beziehung beginnt mit einem One-Night-Stand. In unserem Fall waren es allerdings gleich drei Nächte: Wir verließen seine Wohnung nur, um Milch und die Zeitung zu holen. Trotzdem hätte ich zu diesem Zeitpunkt nicht einmal im Traum geglaubt, dass wir sieben Jahre zusammenbleiben würden.
    In jenen frühen Tagen unserer Beziehung tauschten wir uns natürlich auch über all die Dinge aus, die man sich für gewöhnlich so erzählt: Woher man kommt, wo man aufgewachsen ist, und all das. Ich erzählte ihm den üblichen Blödsinn: normale Kindheit, keine Geschwister, Grundschule, Gymnasium, blablabla, und dann den traurigen Teil der Geschichte – dass meine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren und ich urplötzlich allein dagestanden hatte. Im Lauf der Jahre hatte ich meinen Tonfall perfektioniert. Ich gab mich nüchtern, ließ jedoch einen Hauch Verletzlichkeit durchklingen, um eventuelles Nachfragen gleich im Keim zu ersticken.
    »Das ist ja schrecklich«, sagte Joe. Jeder sagte irgendetwas in der Art.
    »Tja«, erwiderte ich mit gefasster Stimme und einem Unterton, der verriet, dass ich nicht weiter darüber reden wollte. Eigentlich funktionierte es immer.
    Mittlerweile log ich schon so lange, dass es mir nicht mehr wie Lügen vorkam. Meine erfundene Geschichte hatte eine eigene Realität entwickelt, und in gewisser Weise empfand ich tatsächlich Trauer über den Verlust, der mich so unvermittelt getroffen hatte.
    Lesley und Michael Jameson hatten sich in einem Pub in der Uxbridge Road kennengelernt. Er war von Schottland nach London gekommen, weil er einen Job auf einer Baustelle bekommen hatte, und sie und ihre Schwester gingen häufiger auf einen Drink ins Askew. Michael und Lesley verbrachten die ersten Tage ihrer Beziehung fast ausschließlich in diesem Pub. In der Familientherapie wendet man diese Übung an, um dem betreffenden Paar die Gefühle in Erinnerung zu rufen, die es einst füreinander empfunden hat. Man muss dafür kein Genie sein, aber egal. Schließlich kam heraus, dass Michael bei ihrer ersten offiziellen Verabredung irgendeinem armen Kerl die Zähne eingeschlagen hatte, nachdem er in Lesleys Ausschnitt gestarrt hatte. Später hatte sie herausgefunden, dass Michael während der ersten Wochen ihrer Beziehung auch noch mit ihrer Schwester Karen ins Bett gegangen war.
    Ich legte meine Unterlagen beiseite. »Genug für heute«, sagte ich. Ja, ich hatte wahrlich genug. Ich brauchte dringend frische Luft, Raum zum Atmen. Michael stand auf und sah auf seine Uhr, ehe er mir einen verächtlichen Blick zuwarf. Lesley schwang ihre Handtasche über die Schulter. »Sagen Sie es ihm, Lorrie! Eine Beziehung, die auf Lügen basiert, ist von Anfang an zum Scheitern verdammt!«, erklärte sie spitz.
    Ich ging durch den Regent’s Park nach Hause. Eine silberne Sonne schien vom fahlblauen Himmel. Ein beißender Wind drang durch meine Jacke. Ich setzte mich auf eine Bank mit Blick auf den Zoo und zündete mir eine Zigarette an. Ich konnte die Elefanten sehen. Mein Gott, ist es wirklich nötig, dass wir uns Elefanten in Zoos halten? Es war schneidend kalt, und ich konnte genau sehen, wie sich die beiden aneinanderdrängten, um sich zu wärmen. Ich beneidete sie um ihre Zweisamkeit.
    Lesley hatte recht. Welche Hoffnung gab es für eine Beziehung, deren Fundament aus Lügen bestand? Joe und ich waren so gut wie am Ende, und wir beide wussten es.
    Sechs Monate zuvor hatte er mich ernsthaft ins Wanken gebracht. Ich wusste, dass etwas in der Luft lag, nachdem er mir morgens gesagt hatte, ich solle mir etwas Hübsches anziehen. Nach der Arbeit holte er mich ab und führte mich nach Portobello aus. Es war ein schöner Abend – wir tranken Margaritas, und aus den Lautsprechern perlte wunderschöne Musik. Schließlich tanzten wir sogar im Schein des Kerzenlichts. Nachdem wir uns wieder gesetzt hatten, kramte er eine kleine, in Seidenpapier eingeschlagene Schachtel aus seiner Jackentasche. Mein Herz klopfte wie wild.
    »Willst du mich heiraten?«
    Das hatte ich im Traum nicht erwartet. Kein einziges Mal in den sechs Jahren, die wir inzwischen zusammen waren, hatte ich verlauten lassen, dass ich auch nur entfernt am Heiraten interessiert war. Ich wusste, dass

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